Schutzeinrichtung zur Verhinderung von Quetschunfällen an Therapieliegen

Projekt-Nr. IFA 5147

Status:

abgeschlossen 04/2022

Zielsetzung:

Aufgrund von zwei tödlichen Unfällen von Reinigungskräften sowie zahlreichen Verletzungen (insbesondere Quetschverletzungen im Beinbereich von Pflege-/Therapiepersonal) im Zusammenhang mit der Bedienung oder Reinigung von Therapieliegen gab es dringenden Handlungsbedarf, die sicherheitstechnische Ausstattung von elektrisch und hydraulisch betriebenen Therapieliegen neu zu betrachten und zu bewerten.

Die Unfälle ereigneten sich in der Regel aufgrund von unbewusst eingeleiteten Senk- oder Hubbewegungen der Therapieliegen, während sich Personen oder Gliedmaßen von Personen im mechanischen Unterbau der Therapieliegen befanden. Im Rahmen des Projektes sollte sowohl die schon für Therapieliegen bekannten Sicherheitskonzepte als auch Sicherheitskonzepte, welche bisher nur im Maschinenschutz eingesetzt wurden, auf deren Eignung an Therapieliegen untersucht werden.

Es wurden zwei Themenschwerpunkte betrachtet:

  1. Möglichkeiten zur technischen Nachrüstung von Liegen, die bereits in Verkehr gebracht wurden.
  2. Möglichkeiten zu technischen Lösungen bei Neuprodukten.

Für das Projekt ergaben sich somit zwei Ziele:

  1. Aufzeigen von möglichen Sicherheitskonzepten, welche sich für eine praktikable Nachrüstlösung an Therapieliegen eignen. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf einer einfachen Anbringung an der Therapieliege und ggfs. einer einfachen Einbindung in die Antriebstechnik (Akzeptanz des Anwenders). Da eine Therapieliege bereits ab wenigen hundert Euro zu kaufen ist, darf der Kostenaspekt einer Nachrüstung nicht vernachlässigt werden. Weiterhin musste die Akzeptanz der Anwender (Therapeuten, Ärzte) berücksichtigt werden. Es musste davon ausgegangen werden, dass für die unterschiedlichen Bauarten von Therapieliegen verschiedene Lösungen erforderlich sind.
  2. Einspeisung der technischen Lösungen in die entstehende Norm für Therapieliegen (DIN EN 60601-2-xx). Der Entwurf zur Norm wurde im DKE/AK 812.9.1 (Energetisch betriebene Krankenhausbetten) erarbeitet und soll als Grundlage für ein internationales Normungsvorhaben bei IEC dienen.

Aktivitäten/Methoden:

Das Projekt gliederte sich in folgende Phasen:

  1. Marktrecherche, welche Typen von Therapieliegen am Markt vorhanden sind und welche Schutzkonzepte bereits existieren.
  2. Analyse der Arbeitsabläufe bei der Verwendung von Therapieliegen durch Felduntersuchungen (bei Therapeuten in der näheren Umgebung).
  3. Erarbeitung von Schutzkonzepten für alle Typen von Therapieliegen. Die Schutzkonzepte sollten dabei auch an Therapieliegen im IFA getestet werden (evtl. mit Feldversuchen).
  4. Klärung technischer Gegebenheiten sowie Umgebungsbedingungen bezüglich der Eignung von Schutzkonzepten.
  5. Festlegen, welche (neuen) Schutzkonzepte für Bestands- oder neue Therapieliegen umsetzbar sind.
  6. Workshop mit Herstellern und Betreibern von Therapieliegen mit Diskussion der Ergebnisse im IFA.
  7. Publikation der Ergebnisse.
  8. Einspeisung der Schutzkonzepte in die Normung.

Ergebnisse:

Die Recherchen zeigten, dass es aktuell noch viele höhenverstellbare Liegen ohne jegliche Schutzeinrichtungen in Deutschland gibt. Diese Schutzeinrichtungen sollen Personen vor Unfällen, wie z. B. Quetschungen, Abscherungen von Gliedmaßen oder im schlimmsten Fall den Tod durch Einklemmen schützen. Trotz einer Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus dem Jahre 2004, in welcher die Nachrüstung für automatisch höhenverstellbare Therapieliegen mit einer Sperrbox beschrieben wird, sind nicht alle Liegen umgerüstet worden. Die Sperrbox soll eigentlich dazu dienen, die Spannungsversorgung der Liege zu unterbrechen, wenn ein meist magnetischer Stift gezogen wird. Da es sich hierbei um eine organisatorische Maßnahme handelt und weil das Abziehen des Stiftes leicht vergessen werden kann, wird diese Maßnahme aktuell als nicht mehr ausreichend erachtet und es werden vom BfArM zusätzliche technische Schutzmaßnahmen gefordert.

Das IFA hat sich verschiedene Schutzmaßnahmen und bestehende Schutzkonzepte aus dem Maschinenbereich angesehen und dahingehend bewertet, ob sie auch an höhenverstellbaren Liegen eingesetzt werden können. Teilweise wurden dazu bestehende Schutzeinrichtungen für Maschinen so angepasst, dass sie für den Einsatz an energetisch höhenverstellbaren Liegen eingesetzt werden könnten. Um die betrachtete Schutzeinrichtung auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, wurde ein neues Bewertungsschema entwickelt. Dieses führt in einer Matrix die möglichen Gefährdungen und Unfallszenarien zusammen. Mit Hilfe eines Punkteschemas kann die Wirksamkeit der betrachteten Schutzeinrichtung individuell bestimmt werden. Es wurde eine Mustergefährdungsbeurteilung für Betriebe entwickelt, welche bereits eine energetisch höhenverstellbare Liege im Einsatz haben, diese ist beim IFA kostenfrei als Download erhältlich. Weiterhin wurden zusammen mit der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN), der BGW, Betreibern und Herstellern eine FAQ-Liste mit den wichtigsten Fragen rund um das Thema erstellt und die Antworten dazu mit den zuständigen Länderbehörden abgestimmt. Diese FAQ-Liste ist ebenfalls auf der IFA-Seite zum Thema "Sichere Therapieliege" verfügbar.

Die Erkenntnisse des Projekts sind direkt in die neue Norm DIN VDE V 0750-2-52-2:2021-10 (Besondere Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale von Liegen) eingeflossen und wurden auf dem 2. KAN Fachgespräch vorgestellt. Zudem hat die BGW beschlossen, ein Bonusprogramm für die Nachrüstung von Liegen oder die Neubeschaffung von sicheren Liegen ab Mitte 2022 zu starten.

Stand:

17.08.2022

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
  • FH Münster - Ergonomie und Medizintechnik
Branche(n):

Dienstleistungen

Gefährdungsart(en):

Mechanische Gefährdungen

Schlagworte:

Unfallverhütung, Arbeitsunfall, Mechanische Gefährdung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Therapieliegen, tödliche Unfälle, Quetschunfälle

Kontakt

Weitere Informationen

Dammann, A.: Update zur Sicherheit von Therapieliegen. KAN Brief 4/2021, Sankt Augustin 2021