Studie zur biomechanischen Wirksamkeit von Exoskeletten für die obere Extremität

Projekt-Nr. IFA 4236

Status:

laufend

Zielsetzung:

Muskel-Skelett-System-Erkrankungen (MSE) hervorgerufen durch Über-/Fehlbelastung des Stütz- und Bewegungssystems, werden im Bereich des Arbeitsschutzes und bei den Krankenkassen als häufigste Ursache für arbeitsbedingte Ausfalltage aufgelistet. Dabei treten die Hälfte aller MSE an den oberen Extremitäten auf. Eine der Hauptursache stellt ein erhöhter Umfang von Überkopf-Tätigkeiten dar. Eine Möglichkeit, um die Zahl der Ausfälle aufgrund von arbeitsbedingten MSE der oberen Extremitäten nachhaltig zu verringern, könnte in dem Einsatz von Exoskeletten bestehen. Exoskelette sind orthetische Vorrichtungen, die extern am Körper angelegt werden. Das Ziel eines Exoskelettes ist die physische Unterstützung durch Umverteilung der Kräfte auf weniger bedenkliche Körperregionen, folglich eine gezielte Entlastung bestimmter Körperregionen des Bewegungsapparates. Sie können je nach Funktionsweise in passiv und aktiv unterteilt werden. Passive Exoskelette besitzen ausschließlich kraftspeichernde oder –umlenkende Elemente wie z. B. Feder- oder Seilzugsysteme. Aktive Exoskelette enthalten zusätzliche kraftgenerierende Komponenten (Aktuatoren), wie Elektromotoren. In ersten industriellen Piloteinsätzen wurden passive Exoskelette zur Unterstützung der oberen Extremitäten bei Überkopfarbeiten eingesetzt. Bisher haben nur wenige Studien die Auswirkungen von Exoskeletten auf die physische Belastung der oberen Extremität untersucht. Die untersuchten Parameter beschränkten sich oft auf die muskuläre Aktivität ausgewählter Muskelgruppe sowie Kompressions- und Scherkräfte in bestimmten Bereichen der Wirbelsäule. Physiologische Analysen, wie die Untersuchung der Durchblutung der Muskulatur, ergonomische Haltungs-/Bewegungsanalysen sowie die Analyse biomechanischer Belastungsparameter, wie Kräfte und Drehmomente in und an den Gelenken, wurden bisher nur unzureichend durchgeführt. Es lässt sich beobachten, dass ein fortschreitendes Interesse an dem Einsatz von Exoskeletten an industriellen Arbeitsplätzen vorliegt, da verschiedene Unternehmen bereits Piloteinsätze in ihren Betrieben durchgeführt haben. Allerdings wurden deren Auswirkung auf die Belastung und Beanspruchung nur unzureichend untersucht. Zumeist wurden die umfangreichen Messreihen an Probanden in einer Laborumgebung durchgeführt. Das Ziel dieser Studie ist die Analyse der biomechanischen Wirksamkeit von Exoskeletten für die obere Extremität hinsichtlich der biomechanischen und auf Nutzerangaben basierten muskuloskelettalen Belastung und Beanspruchung bei besonders kritischen industriellen Überkopftätigkeiten. Dieses Projekt fokussiert sich auf Anwendung von Exoskeletten für die obere Extremität. In einem weiteren Projekt (IFA-4235-Exoskelette) werden mit einer vergleichbaren Methodik Exoskelette für den Rumpf und für die untere Extremität untersucht. Ein gemeinsames Ziel beider Projekte ist die Entwicklung eines Leitfadens zur Evaluation von Exoskeletten für die Arbeitswelt.

Aktivitäten/Methoden:

Im Rahmen einer prospektiven Studie werden verschiedene industrielle Überkopf-Tätigkeiten (Niet-, Bohr- und Spanarbeiten an Strukturmontagearbeitsplätzen) analysiert, welche aus ergonomischer Sicht als besonders belastend für die oberen Extremitäten eingestuft wurden und bei denen der Einsatz von Exoskeletten als unterstützend und entlastend angenommen werden kann. Während der Laborphase werden die Hauptmerkmale solcher Strukturmontagearbeitsplätze im Labor für Bewegungsanalyse der Hochschule Koblenz am Standort Remagen (Rheinahrcampus) nachgestellt. An diesem Labor-Aufbau werden die Probanden (n = 15) Montagetätigkeiten in einer Kontrollbedingung (Baseline Messung ohne Exoskelett) und in drei Interventionsbedingungen mit angelegten Exoskeletten (drei ausgewählte unterschiedliche passive Exoskelette für die obere Extremität) ausführen. Die Reihenfolge der verschiedenen Tätigkeiten in Kombination mit den Exoskeletten wird im Vorfeld für jeden Probanden randomisiert. Aus dem Vergleich der erhobenen Messdaten im Labor bei der Tätigkeit mit und ohne Exoskelett lassen sich Unterschiede in der Belastung/Beanspruchung ableiten. Es werden folgende biomechanische Parameter zur Beurteilung der Belastung der oberen Extremität herangezogen: muskuläre Aktivität (Elektromyografie – EMG) ausgewählter Muskelgruppen des Schulterkomplexes sowie externe Gelenkmomente, extern wirkende Kräfte und Gelenkwinkel an ausgewählten Gelenken der Arme, des Schulterkomplexes, der Wirbelsäule und der Beine. Neben der Ausführung von Montagetätigkeiten werden die Probanden typische weitere Aufgaben ausführen, die alltäglich an Montagearbeitsplätzen vorkommen (Aufgaben-Parcours). Dieser Parcours umfasst Nebentätigkeiten, wie das Aufnehmen und Ablegen von Werkzeugen/Material, bestimmte Standardbewegungen zur Ermittlung von Bewegungsausmaßen, asymmetrische Bewegungen, Gehen, Hinsetzen/Aufstehen, verschiedene Geschicklichkeitsbewegungen und Präzisionsaufgaben. In einer anschließenden Feldphase sollen erfahrene Mitarbeiter eines Flugzeugherstellers im Rahmen der normalen innerbetrieblichen Abläufe die Tätigkeiten in der Strukturmontage an ausgewählten Montagearbeitsplätzen ohne Exoskelett (Baseline-Messung) und mit einem auf der Basis der Laboruntersuchung ausgewählten angelegtem Exoskelett ausführen. Die muskuloskelettalen und subjektiv empfundenen Belastungen werden in beiden Phasen mittels ergonomischer, biomechanischer und physiologischer Verfahren erfasst und analysiert. Hierzu zählen die Erfassung der Gelenkwinkel, bestimmter externer Gelenkmomente und der muskulären Aktivität derselben Muskelgruppen wie in der Laborphase. Ergänzend sollen die Akzeptanz, Nutzerperspektive und das subjektive Belastungsempfinden der Probanden (Teilnehmer/innen im Labor und Mitarbeiter/innen im Unternehmen) basierend auf Fragebogenerhebungen einbezogen werden. Zusätzlich sollen die Exoskelette während der Feldphase an einem Mock-Up an realitätsnahen Arbeitsplätzen bei Airbus in Hamburg unter Verwendung eines markerbasierten Motion Capture Systems (vgl. Laborphase) im Detail biomechanisch untersucht werden. Mit der hier skizzierten Studie sollen Messungen an den realen Arbeitsplätzen, an denen die Exoskelette zum Einsatz kommen sollen, während der alltäglichen Arbeitsroutine am Arbeitsplatz in der Industrie durchgeführt werden, um die bisherigen Erkenntnisse aus der Praxis zu ergänzen.

Stand:

15.05.2019

Projekt

Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Hochschule Koblenz - Rheinahrcampus
  • Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf - Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Erkrankungen

Schlagworte:

Beanspruchung, Belastung, Arbeitsmittel

Weitere Schlagworte zum Projekt:

obere Extremität, Belastung des Muskel-Skelett-System, Exoskelett

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