Gestaltung einer Muster-Kindertagesstätte nach ergonomischen Gesichtspunkten

Projekt-Nr. IFA 4204

Status:

abgeschlossen 07/2017

Zielsetzung:

Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten sind einer Reihe von Belastungen wie Arbeiten in ungünstigen Körperhaltungen, manueller Lastenhandhabung oder Lärm ausgesetzt. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) konnte hierzu messtechnische Analysen im Projekt "Ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen in Kindertageseinrichtungen" (ErgoKita) sammeln und Vorschläge für eine ergonomische Verbesserung der Arbeitsbedingungen in KiTas erarbeiten. In Zusammenarbeit mit der Unfallkasse Rheinland-Pfalz sollen diese Erkenntnisse nun in die Praxis umgesetzt werden und eine "MusterKiTa" hinsichtlich der Faktoren Klima, Akustik, Beleuchtung und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung entstehen.

Aktivitäten/Methoden:

Für die Errichtung der "MusterKiTa" wurde eine bereits existierende Kita in Heimbach-Weis saniert und erweitert, wozu sowohl die Planungen für den "Altbau" als auch den "Neubau" nach ergonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet werden.

In einem ersten Schritt wurde der Ist-Zustand der Arbeitssituation im Altbau analysiert. Zu diesem Zweck wurden Messungen zu Klima, Beleuchtung und Lärm (Nachhallzeiten und Sprachverständlichkeit) durchgeführt. Zur Erhebung der physischen und psychischen Arbeitssituation der Erzieherinnen wurde das ErgoKiTa-Messkonzept angewendet, eine Kombination aus CUELA- und Herz-Frequenz-Messungen sowie Fragebögen zu den Rahmenbedingungen und der Arbeitsorganisation ("Prä-Messung"). Aufgrund variierender Anforderungen in unterschiedlichen Jahreszeiten und im U3- und Ü3-Bereich fanden diese Messungen Anfang September 2013 und Anfang November 2013 bei je 2 Erzieherinnen an jeweils 2 Tagen statt.

Die Ergebnisse der Ist-Zustands-Analyse flossen in die Empfehlungen des IFA bezüglich der Faktoren Belüftung, Lärmminderung und Beleuchtung ein. Das KiTa-Mobiliar wurde auf Grundlage der CUELA-Messungen und Ergo-Kita-Empfehlungen vorgeschlagen und in einem eng begleiteten Prozess selbstständig vom pädagogischen Fachpersonal der Kita ausgewählt. Die Einrichtung der Gruppen- und Personalräume, der Sanitär- und Wickelräume sowie des Essbereichs gestaltete sich nach ergonomischen Kriterien. In enger Kooperation mit der UK RLP wurde das Personal der KiTa in Workshops zu gesundem Arbeitsverhalten angeleitet. Nach Abschluss der Bauarbeiten sollen weitere Messungen (Klima, Schadstoffe) einen Vergleich zwischen sowohl vorher und nachher, aber auch zwischen mechanisch und natürlich belüfteten Räumen und dem Klima im Winter und Sommer ermöglichen. Ebenso sind Kontrollmessungen zur Raumakustik (Nachhallzeit, Sprachverständlichkeit) und eine Beurteilung der Lärmimmission (Dosimetermessungen) unter Berücksichtigung der neuen akustischen Gegebenheiten vorgesehen. Weitere Messungen finden hinsichtlich der neuen Beleuchtungssituation (neue Leuchtmittel sowie andere Ausleuchtung des Raumes) statt.

Nach einer Eingewöhnungsphase der Erzieherinnen sollen in einem letzten Schritt erneut Messungen nach dem ErgoKita-Konzept erfolgen ("Post-Messung"). Diese dienen der Beschreibung der Belastungssituation der Erzieherinnen nach dem Umbau der KiTa - wiederum sowohl im U3- als auch im Ü3-Bereich - und der Evaluierung der empfohlenen Maßnahmen. Abschließend sollen die Ergebnisse in eine Handlungshilfe für die Praxis umgesetzt werden.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse der raumakustischen, klimatischen, ergonomischen und beleuchtungstechnischen (Um)Gestaltung der Muster-Kita sind im IFA-Report 4/2017 publiziert. Für die einzelnen Belastungsbereiche ergaben sich folgende Ergebnisse:

Klima/Schadstoffe

Nach der Baumaßnahme ist bei den vergleichenden Messungen eine deutliche Verbesserung der klimatischen Bedingungen zu beobachten. Durch die technische Lüftung kann ein sehr gleichmäßiges Klima, das unabhängig von der Jahreszeit ist, generiert werden. Es konnte gezeigt werden, dass auch die Nachrüstung von raumlufttechnischen Anlagen in einem bestehenden Gebäude ebenso realisierbar ist wie in einem Neubau. Neben umfangreichen Klimamessungen wurden Schadstoffmessungen durchgeführt, die einen normalen, abfallenden Konzentrationsverlauf nach der Bauphase aufzeigten. Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass - wenn die Entscheidung für eine technische Lüftung ausfällt - auch eine Gewährleistung der Wartung und des technischen Supports erforderlich ist. Des Weiteren empfiehlt es sich, eine technische Lüftung lediglich als Unterstützung der natürlichen Lüftung anzusehen. Auch bei Neubauten ist daher die Möglichkeit einer natürlichen Lüftung empfohlen. In der Planungsphase sollte auf Lüftungsquerschnitte geachtet und im optimalen Fall auch Querlüftung angestrebt werden. Außerdem sind grundsätzlich schadstoffarme Baustoffe und Möbel zu verwenden.

Akustik

Im Hinblick auf die Akustik konnte mit Erfüllung der normativen Vorgaben aus DIN 18041 eine hohe Zufriedenheit der Beschäftigten erreicht werden. Insbesondere die Verwendung speziell abgestimmter Akustikdecken bewirkt eine verbesserte Sprachverständlichkeit und verringerte den Störschalldruckpegel. Eine derart optimierte akustische Umgebung führt zu einer geringeren Lärmbelastung der Beschäftigten und fördert den Lernprozess der Kinder.

Beleuchtung

Die Beleuchtungssituation in der Kindertagesstätte entspricht den gesetzlichen Anforderungen. Grundsätzlich sollte bei der Konzeption von Einrichtungen dieser Art besonderes Augenmerk auf die gleichzeitige Einplanung von natürlicher Beleuchtung durch ausreichend große Fensterflächen sowie schwerpunktmäßig erhöhter Beleuchtung - wie zum Beispiel durch zusätzliche Stehlampen - für besondere Sehaufgaben, z. B. Malen oder Arbeiten mit Scheren, geachtet werden. Räume, in denen Kinder schlafen und sich erholen, sollten mit dimmbarem Licht ausgestattet werden. Die Lichtfarbe sollte hier im warmweißen Bereich liegen, ggf. mit rötlichem Einschlag.

Ergonomie

Für alle Tätigkeiten (Spielen/Bildungsarbeit, Verpflegung, Kleiderwechsel, Dokumentation, Mittagsschlaf, Reinigung und Pflege/WC) wurden konkrete, bereits im Projekt ErgoKita evaluierte Maßnahmen zur ergonomischen Optimierung implementiert. Diese Maßnahmen haben zu messtechnisch identifizierbaren Reduktionen der Muskel-Skelett-Belastungen (insbesondere Wirbelsäulen- und Kniebelastungen) geführt. Bei der Nutzung des ergonomischen Mobiliars kommt der Schulung des Personals hinsichtlich des Arbeitsverhaltens eine besondere Bedeutung zu. Die getroffenen Maßnahmen sind auf alle Kindertageseinrichtungen übertragbar. Wichtig sind dabei die Einbeziehung des Kita-Teams und die Berücksichtigung des jeweiligen pädagogischen Konzeptes.

Alle Ergebnisse sind in die Erstellung einer DGUV-I "Ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes Kita" eingeflossen. Diese Handlungsempfehlung für die Praxis befindet sich derzeit im Abstimmungsprozess mit dem DGUV Sachgebiet "Kindertagesstätten".

Stand:

06.07.2018

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
  • Unfallkasse Rheinland-Pfalz
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Unfallkasse Rheinland-Pfalz
Branche(n):

Bildung, Wissenschaft

Gefährdungsart(en):

Mehrfachbelastungen, Gestaltung von Arbeit und Technik, Handhabung von Lasten

Schlagworte:

Ergonomie, Arbeitsplatzgestaltung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Kindertagesstätten (KiTas), ergonomische Gestaltung, Muskel-Skelett-Belastungen, Lärm, Lüftung, Beleuchtung, Erzieherinnen/Erzieher, CUELA, Mehrfachbelastung

Kontakt

Weitere Informationen

Eul, M.; Beisser, R.; Köhmstedt, B.; Schelle, F.; Schmitz, M.; Schwan, M.; Wittlich, M.; Ellegast, R.P.: Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Kita - Die MusterKiTa als Beispiel guter Praxis - IFA Report 4/2017. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2017

Eul, M.: Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Kita - aus der Theorie in die Praxis. KiTa aktuell HRS (2017) Nr. 10, S. 203-206

Eul, M.; Ellegast, R.P.; Köhmstedt, B.: Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Kita. KiTa aktuell BW (2016) Nr. 1, S. 4-7 DGUV-I "Ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes Kita" in Vorbereitung