Implementierung von Diagnose- und Therapieverfahren bei psychischen Gesundheitsschäden in das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren – FAUST II

Projekt-Nr. FF-FR 0126

Status:

abgeschlossen 07/2011

Zielsetzung:

Ziel dieses Projektes ist die Evaluation eines aus der Freiburger Arbeitsunfallstudie I abgeleiteten Screeninggestützten Diagnose- und Behandlungspfades für psychische Gesundheitsstörungen nach schweren Arbeitsunfällen. Untersucht wird, ob der systematische Einsatz eines kurzen Screening-Fragebogens während der unfallchirurgischen Behandlung eine frühzeitige Erkennung, Diagnostik und ggf. Behandlung von Risikopatienten unterstützen und steuern kann. Werden durch dieses Vorgehen Ergebnisse des Heilverfahrens und der Rehabilitation sechs Monate nach einem Arbeitsunfall verbessert?

Aktivitäten/Methoden:

Die Studie wird in mehreren unfallchirurgischen Kliniken/Abteilungen an akut unfallverletzten Patienten mit einer stationären Behandlungsdauer von mindestens sieben Tagen durchgeführt. In der Kontrollphase wird das Screening-Instrument nur vorgegeben, ändert das bisherige Vorgehen zum Management etwaiger psychischer Beschwerden in den Kliniken aber nicht (treatment as usual). Erst in der Interventionsphase entscheidet der ermittelte Screening-Wert über weitere notwendige Schritte der Diagnostik und ggf. Therapie für diese Beschwerden. Bei allen eingeschlossenen Risikopatienten werden vor der Entlassung und zur Sechsmonats-Nachuntersuchung psychische Beschwerden (Posttraumatische Belastungsstörung, Angst und Depression) mit Fragebögen erfasst. Bei den UV-Verwaltungen werden nach sechs Monaten objektive Daten zum Heilverlauf erhoben. Im Rahmen der Anwendungsstudie werden Praktikabilität, Akzeptanz und Nutzen des neuen Vorgehens überprüft.

Ergebnisse:

In der multizentrischen Implementierungsstudie mit 18 unfallchirurgischen Kliniken wurden stationär (≥6T) behandelte Arbeitsunfallverletzte bezüglich ihrer psychischen Folgebeschwerden und Störungen untersucht. Mit Hilfe eines kurzen Screeningfragebogens durchschnittlich 12 Tage nach dem Unfall wurden Nichtrisiko- („grün“) und Risikopatienten („gelb“ und „rot“) unterschieden („Ampelmodell“). In der Kontrollphase („treatment as usual“) wurden Art, Schwere und natürlicher Verlauf psychischer Folgesymptome für die Risikopatienten 6 Monate nach dem Unfall verfolgt. In der Interventionsphase wurden die UV-Träger über das Screeningergebnis und daraus abgeleitete Empfehlungen für das weitere Vorgehen unterrichtet. Auch hier wurden die Beschwerdeverläufe nach 6 Monaten erfasst. Für alle Untergruppen wurden in beiden Studienphasen „objektive“ 6-Monats-Heilverlaufsdaten bei den Kostenträgern erhoben. Durch die Intervention wurde - im Vergleich zur Kontrollphase - eine Verbesserung der psychischen Beschwerdeverläufe der Risikopatienten erwartet. Unter den 1800 eingeschlossenen Unfallverletzten wurden in beiden Studienphasen jeweils 22 % Risikopatienten identifziert. Diese wiesen zu 62 % (PTBS- Syndrom) auffällige Werte auf, bei 40 % fanden sich Hinweise auf ein depressives Syndrom, bei 25 % waren Panikattacken aufgetreten. Unter Bedingungen des „treatment as usual“ blieben die initialen psychischen Syndrome (PTBS, Panikattacken) nach 6 Monaten im Mittel unverändert. Depressive Beschwerden nahmen ab. Die Hälfte der Risikopatienten gaben nach 6 Monaten starke Funktionsbeeinträchtigungen durch psychische Beschwerden an. Besonders ungünstige Verläufe zeigten die Risikopatienten mit ausgeprägterer Initialsymptomatik und sog. „rot“-Patienten. Verglichen mit den Nichtrisikopatienten fanden sich sowohl bezüglich der psychischen Beschwerden als auch bei den objektiven Indikatoren des Heilverlaufs signifikant ungünstigere Ergebnisse. Spezifische psychodiagnostische und –therapeutische Maßnahmen waren nur bei ca. 10 % aller Risikopatienten durchgeführt worden.

Die Intervention in der 2. Studienphase bestand aus Screening-basierter Früherkennung, konsiliarischer Untersuchung der „rot“-Patienten und der Empfehlung einer systematischen Verlaufsbeobachtung der psychischen Beschwerden durch die UV-Verwaltungen, um bei Bedarf spezifische Maßnahmen zeitnah veranlassen zu können. Diese Interventionsschritte wurden in der Praxis unzureichend umgesetzt: Informationsverluste ergaben sich bei der Übermittlung der Screeningergebnisse und Empfehlungen der Kliniken an die UV Verwaltungen. In nur 52 % („rot-“) bzw. 22 % („gelb“-Patienten) erfolgte eine spezifische Überprüfung des Heilverfahrens im Hinblick auf die psychischen Initialbeschwerden. Nur bei 12 % der Risikopatienten waren tatsächlich psychodiagnostische oder –therapeutische Maßnahmen veranlasst worden. Eine signifikante Überlegenheit in der Reduktion der psychischen Syndrome gegenüber der Kontrollphase konnte für die Interventionsphase nicht nachgewiesen werden. Die Evaluation der Prozessabläufe zeigte bei Patienten eine hohe Akzeptanz des Vorgehens. Auch die Projektverantwortlichen in den Kliniken hoben überwiegend den Nutzen des Screenings als Orientierungs- und Entscheidungshilfe hervor. Die Einschätzung der UV-Verwaltungen war eher abwartend bis skeptisch. Der potenzielle Nutzen des untersuchten Ansatzes ist durch die Studienergebnisse nicht in Frage zu stellen. Die signifikant unterschiedlichen 6-Monats-Symptomverläufe der Nichtrisiko- und Risikopatienten unterstreichen überzeugend den Bedarf und potenziellen Nutzen einer frühzeitigen Erkennung und spezifischen Maßnahmenplanung. Eine Optimierung der Prozessabläufe kann durch eine Verbesserung der Meldewege und durch eine klare Definition der Handlungspfade für die drei Risikokonstellationen erreicht werden. Eine Verzahnung des untersuchten Vorgehens mit dem „Modellverfahren Psychotherapeuten“ der DGUV erscheint möglich und sinnvoll.

Stand:

16.03.2018

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Universitätsklinikum Freiburg
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Psychische Fehlbelastungen

Schlagworte:

Evaluation, Rehabilitation

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Psychische Gesundheit, Arbeitsunfall