Interview mit Frank M.

Kundenbetreuer bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen Aktiengesellschaft

Frank M. arbeitet als Kundenbetreuer bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen Aktiengesellschaft (kurz: BOGESTRA). Zu seinen Aufgaben zählen Beratung und Information der Fahrgäste in Bus und Bahn sowie – zu einem bedeutenden Teil – auch die Ticketkontrolle.

Herr M. beschreiben Sie doch bitte einmal Ihren Arbeitsalltag.

Der wesentliche Teil meiner Arbeit besteht darin, dass ich auf verschiedenen Linien in unserem Streckennetz unterwegs bin und die Gültigkeit der Tickets unserer Fahrgäste prüfe.

Wie verhalten sich die Fahrgäste Ihnen gegenüber, wenn Sie nach einem Ticket fragen?

Die allermeisten Fahrgäste sind genervt. Ich meine, ein bisschen verstehe ich das auch. Aus ihrer Perspektive ist es ja so: Sie wollen in Ruhe von A nach B kommen, dabei im Smartphone scrollen, Musik hören, Zeitung lesen und dann komme ich und störe sie dabei. Die wenigsten reagieren dann mit einem "Hallo" oder "Danke", selbst ein freundlicher Gesichtsausdruck ist leider die Seltenheit. Hier würde ich mir mehr Wertschätzung für meine Arbeit wünschen. Ich meine, ich mache ja auch nur meinen Job.

Sind es dann diese genervten Fahrgäste, die gewalttätig werden?

Nein. Diese Fahrgäste freuen sich zwar nicht über mein Erscheinen, aber sie haben in den allermeisten Fällen ein gültiges Ticket. Sie verdrehen vielleicht die Augen, aber sie zeigen ihr Ticket vor, ich prüfe es, gebe es zurück und die Wege trennen sich. Oft sind es die Fahrgäste, die kein gültiges Ticket besitzen, die gewaltbereit sind.

Können Sie darauf näher eingehen?

Naja, keine Situation ist gleich und ich möchte niemanden über einen Kamm scheren, aber meiner Erfahrung nach sind Personen, die wiederholt ohne gültiges Ticket fahren, oft gewaltbereiter. Das liegt vermutlich daran, dass ihnen bewusst ist, dass sie hier zum wiederholten Male eine Straftat begehen. Sie sind verzweifelt, teilweise wütend und in diesem Moment bin ich für Sie der Schuldige.

Sie haben eine beachtliche Statur, sind als Bodybuilder aktiv – schüchtert das diese Personen nicht ein?

Nein. Diese fünf Prozent, von denen ich hier rede, lassen sich davon nicht einschüchtern. Ganz im Gegenteil: Sie empfinden mich als Gegner. Um es klarzustellen, wir sprechen nicht von einem Fahrgast, der sich im Fahrzeug ein bisschen danebenbenimmt. Hier reicht oft ein ernstes Wörtchen, manchmal muss die Polizei dazu geholt werden und dann ist es gut. Das ist nicht schön, aber damit komme ich klar. Ich spreche von diesen oft sehr ruhigen Personen. Menschen, die sich gezielt mit mir anlegen wollen. Diese sind unberechenbar.

In solchen Situationen, wo fängt da Gewalt für Sie an?

Ganz klar schon bei einer Beleidigung. Leider gehören die schon zur Tagesordnung. Von da an gibt es aber auch keine Grenze. Die wenigen, die gewaltbereit sind, sind leider oft zu allem bereit. Diese Menschen sind meiner Erfahrung nach häufig sozio-ökonomisch schlecht aufgestellt, haben noch viele andere Probleme und das erhöhte Beförderungsentgeld wegen des Fahrens ohne gültigen Fahrschein kommt jetzt noch obendrauf. Trotzdem kann hier Gewalt nicht das bevorzugte Mittel sein. Ich meine, wir sind doch alle Menschen, wir können doch miteinander sprechen.

Was tun Sie, um diese Erfahrungen am Ende eines Tages nicht mit nach Hause zu nehmen?

Sport. Ich trainiere sechs Mal in der Woche jeweils für drei Stunden. Ich persönlich brauche das. Es tut meinem Körper gut und stärkt meine Psyche. Nur so kann ich jeden Tag selbstbewusst meinen Job antreten. Und Selbstbewusstsein ist das A und O.

Selbstbewusstsein ist ein gutes Stichwort. Wie unterstützt Sie Ihr Arbeitgeber dabei?

Er versucht uns auf das Thema Gewalt im ÖPNV vorzubereiten. Zum Beispiel mit Deeskalationstrainings. Aber ehrlich gesagt, gibt es – auch nach 13 Jahren Berufserfahrung – leider genug Situationen, auf die man einfach nicht vorbereitet werden kann. Da kannst du im Vorhinein nicht mit rechnen, dass eine Person plötzlich aus dem Nichts eskaliert und zum Beispiel ein Messer zieht.

Gibt es konkrete Maßnahmen, die Sie sich wünschen würden?

Ja. Konkret denke ich da an zwei Dinge: erstens verpflichtende Teameinsätze und zweitens Bodycams.

Beides verhindert keine Gewalt...

Nein. Aber es sichert uns ab. Nehmen wir die Teameinsätze als Beispiel. Bei uns ist es leider so, dass manche Kollegen wirklich gern allein unterwegs sind. Da bin ich absolut gegen und ich finde sogar, dass es nicht erlaubt sein sollte. Kommt es nämlich zu einer unübersichtlichen Situation, vielleicht sogar zu Gewalt, dann habe ich mit meinem Kollegen immer einen Zeugen dabei. Jemanden, der die Situation schildern kann, der zur Not eingreift und Hilfe dazu holt. Das ist eine Absicherung für mich. Auch, um am Ende nicht für etwas beschuldigt zu werden, was ich gar nicht getan habe.

Mit Bodycams verhält es sich genauso. Nur können die keine Hilfe rufen. Deswegen gehen beide Maßnahmen Hand in Hand.

Denken wir für die letzte Frage sogar noch etwas größer. Was könnte, Ihrer Einschätzung nach, die Politik tun, um Gewalt in Bus und Bahn zu stoppen?

Ganz klar härtere Strafen für gewaltbereite Menschen. Wenn wir bedroht und geschlagen werden, nur weil wir unseren Job machen, muss das angemessene Konsequenzen haben. Gewalt hat keinen Platz in Bus und Bahn.

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