Krebsrisiko im Feuerwehrdienst – Biomonitoring von Feuerwehreinsatzkräften bei Realbränden

Projekt-Nr. FF-FP 0414

Status:

abgeschlossen 10/2020

Zielsetzung:

Im Jahr 2007 hatte die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Arbeit der Feuerwehreinsatzkraft als möglicherweise krebserzeugend für den Menschen (Gruppe 2B) eingestuft. Neuere Meta-Analysen zeigen keine Erhöhung des allgemeinen Krebsrisikos mit Ausnahme von einzelnen Krebserkrankungen. Unklar bleibt die konkrete Exposition der Einsatzkräfte gegenüber krebserzeugenden Gefahrstoffen bei realen Brandeinsätzen.

Gefahrstoffe können über den Atemtrakt, den Verdauungstrakt und die Haut aufgenommen werden. Beim Brandrauch handelt es sich um eine Mischexposition chemischer Verbindungen, deren Zusammensetzung je nach Brand stark variieren kann. Als Leitkomponenten im Brandrauch können die Substanzen aus der Gruppe der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) angesehen werden, die aus mehreren Hundert Einzelsubstanzen mit unterschiedlicher krebserzeugender Wirkung bestehen. In Deutschland gibt es bisher keine Erkenntnisse darüber, ob − und wenn ja, wie viel − diese PAK bei der Brandbekämpfung im Einsatz von Feuerwehreinsatzkräften aufgenommen werden. Aus diesem Grunde förderte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) dieses Forschungsprojekt.

Aktivitäten/Methoden:

Die Studie wurde bei der Feuerwehr der Freien und Hansestadt Hamburg und der Berliner Feuerwehr durchgeführt. Dabei wurden 217 Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr sowie Mitarbeitende der Atemschutz- und Schlauchwerkstätten in die Studie aufgenommen. Zunächst wurde im Rahmen einer Eingangsuntersuchung die persönliche Grundbelastung an 1-Hydroxypyren (1-OHP) im Urin gemessen. Bei 1-OHP handelt es sich um ein Stoffwechselprodukt des PAK Pyren, zu dem zahlreiche Studien zur Exposition sowohl der nicht beruflich belasteten Allgemeinbevölkerung als auch von beruflich gegenüber PAK exponierten Beschäftigen vorliegen.

Nach dem Brandeinsatz wurden die teilnehmenden Einsatzkräfte gebeten, zu drei verschiedenen Zeitpunkten Urin abzugeben. Zusätzlich wurde von jeder teilnehmenden Einsatzkraft nach dem Einsatz ein Einsatzfragebogen ausgefüllt. In diesem Fragebogen wurde detailliert nach wichtigen Angaben zum Brand und zum Einsatz, wie z. B. Grad der Verrauchung und gewählte persönliche Schutzausrüstungen (PSA), gefragt. Die durchschnittliche Exposition, die Variabilität der 1-OHP-Exposition sowie die Maximalexposition bei im Voraus definierten Einsatzszenarien (z. B. Brand in einem Wohngebäude) wurden ermittelt. Parameter wie die Tätigkeit, Rauchexposition, die Dauer und Funktion während des Brandeinsatzes sowie die verwendete PSA wurden dabei für die Bewertung mitberücksichtigt. Für die Beurteilung der gemessenen 1-OHP-Biomonitoring-Werte hinsichtlich einer Exposition gegenüber PAK (und damit ohne jeglichen Bezug zu gesundheitlichen Effekten) wurde der "Biologische Arbeitsstoff-Referenzwert" (BAR) für Nichtraucher der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) der Deutschen Forschungsgemeinschaft herangezogen, der bei 0,3 μg/g Kreatinin liegt. Für Raucher existiert kein entsprechender BAR. Daher wurde für die rauchenden Studienteilnehmer aus dem Umweltsurvey 1998 entsprechend das 95. Perzentil der Raucher in der Allgemeinbevölkerung als Beurteilungsgröße gewählt (0,73 μg/L, ebenfalls ohne Bezug zu gesundheitlichen Effekten). Für die Beurteilung der gemessenen 1-OHP-Werte mit Bezug zu gesundheitlichen Effekten (Schädigung der Erbsubstanz DNA) wurde der "Biological Exposure Index" (BEI®) der US-amerikanischen Gesellschaft "American Conference of Governmental Industrial Hygienists" (ACGIH) herangezogen (2,5 μg/L).

Ergebnisse:

Insgesamt wurden 70 Brandeinsätze im Rahmen der Studie von den Einsatzkräften dokumentiert, davon 49 bei der Berufsfeuerwehr und 21 bei der Freiwilligen Feuerwehr. In den Atemschutz- und Schlauchwerkstätten wurden sieben Arbeitstage dokumentiert. Die 1-OHP-Konzentrationen der Beschäftigten in den Atemschutz- und Schlauchwerkstätten lagen unterhalb der Beurteilungsmaßstäbe. Allerdings sind valide Aussagen aufgrund der wenigen Teilnehmenden in diesem Bereich nur eingeschränkt möglich. Bei den 70 Brandeinsätzen zeigte sich ein Anstieg der mittleren 1-OHP-Konzentration unabhängig von der Kreatinin-Adjustierung im Vergleich zur Eingangsuntersuchung. So lag die Anzahl der 1-OHP-Werte in den Urinproben nach dem Brandeinsatz deutlich öfter oberhalb der Bestimmungsgrenze als vor dem Einsatz. Allerdings blieb der überwiegende Anteil der Proben in Abhängigkeit vom Rauchstatus der Teilnehmer unterhalb der jeweiligen Referenzwerte. Nur eine Person wies nach dem Brandeinsatz Werte über dem BEI® auf. Bei den Nichtrauchern und Ex-Rauchern wiesen 20 % und bei den Rauchern 13 % Werte über dem jeweiligen Beurteilungsmaßstab nach dem Brandeinsatz auf. Insgesamt lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass durch den Brandeinsatz Pyren (und damit PAK) aufgenommen und zu 1-OHP verstoffwechselt wird. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit drei weiteren Biomonitoring-Studien bei Realbrandeinsätzen, die in Kanada und den USA durchgeführt wurden. Im Vergleich zu industriellen PAK-exponierten Arbeitsplätzen (u. a. in der Stahlindustrie) sind die hier ermittelten Konzentrationen an 1-OHP bei Einsatzkräften der Feuerwehr durch einen Brandeinsatz wesentlich geringer. Im Gegensatz zu (Berufs-)Feuerwehrangehörigen sind industriell Beschäftigte darüber hinaus an jedem Arbeitstag während ihrer Arbeitsschicht gegenüber diesen Substanzen exponiert.

Die hierbei ermittelten Konzentrationen im Biomonitoring zeigen, dass eine korrekt angelegte, funktionsfähige Schutzkleidung sowie das bedarfsgerechte Tragen von umluftunabhängigem Atemschutz die Aufnahme von PAK verhindert bzw. so minimiert, dass die Beurteilungsmaßstäbe in der Mehrzahl der Fälle eingehalten werden. Es gibt jedoch einzelne Situationen, in denen die Konzentrationen auf Werte oberhalb der Beurteilungsmaßstäbe, insbesondere des mit gesundheitlichen Effekten assoziierten BEI®, ansteigen. Dabei zeigt sich im Rahmen dieser Studie die Haut als relevanter Aufnahmeweg. Hier müssen geeignete Präventionsmaßnahmen eingesetzt werden, um die Belastungen zu verringern. Einen möglichen Ansatz dafür liefern die Ergebnisse des Teilprojektes "Entwicklung von Expositionsvermeidungsstrategien im Feuerwehreinsatz". Diese wurde bereits im Jahr 2020 in Form der DGUV Information 205-035 "Hygiene und Kontaminationsvermeidung bei der Feuerwehr" und eines begleitenden Erklärfilms veröffentlicht. Darin enthalten sind unter anderem konkrete Beispiele, die den Feuerwehren aufzeigen, wie ein Expositionsvermeidungskonzept etabliert werden kann.

Um die dermale Belastung gegenüber PAK während des Einsatzes einzuschätzen, trugen ein Teilkollektiv von 14 Feuerwehreinsatzkräften bei Einsätzen in zwei verschiedenen Szenarien (Wohngebäudebrand und Fahrzeug- bzw. sonstiger Brand im Freien) sowie drei Beschäftigte in einer Schlauch- und Atemschutzwerkstatt unter der Einsatzkleidung ein Set Baumwollwäsche, bestehend aus Shirt, Hose, Haube, Handschuhen und Socken. Aus der getragenen Unterwäsche wurden Stoffstücke ausgestanzt und auf PAK untersucht. Die Baumwollunterwäsche diente als Trägermaterial, eine Kontamination kann Hinweise auf eine dermale Exposition gegenüber PAK durch fehlende Schutzwirkung der Einsatzkleidung liefern.

Die Analysenergebnisse der Baumwollunterwäsche waren überwiegend unauffällig. Insbesondere die als krebserzeugend anzusehenden schwerer flüchtigen höhermolekularen PAK (z. B. Benzo[a]pyren) wurden in lediglich zwölf von 270 auswertbaren ausgestanzten Stoffstücken und in weitgehend geringen Konzentrationen bestimmt. Teilweise wurden auch höhere Konzentrationen an PAK quantifiziert, überwiegend in optisch auffällig verschmutzten Stellen der Baumwollunterwäsche. Jedoch lagen auch hier alle Konzentrationen unterhalb der zur Orientierung herangezogenen Beurteilungsmaßstäbe. Im Rahmen dieser Studie wurde ein Biomonitoring-Parameter untersucht (1-OHP), der die mittelflüchtigen PAK repräsentiert und ein Stoffwechselprodukt eines selbst nicht als krebserregend bekannten PAK, des Pyrens, darstellt. Da die bei einem Brandereignis entstehende Stoffmatrix sehr komplex und individuell ist, sollen mit dem in der Institut für Prävention und Arbeitsmedizin(IPA)-Probenbank gesicherten Material jedoch noch weitere Untersuchungen erfolgen, u. a. auf Stoffwechselprodukte kanzerogener Vertreter der PAK sowie weiterer krebserzeugender Substanzen. Dies gewährleistet einen möglichst umfassenden Einblick in die Expositionssituation von freiwilligen und hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen. Insbesondere zählen hierzu Stoffwechselprodukte von Benzo[a]pyren, Benzol, Naphthalin, Chlorphenole und Schwermetalle. Zudem stehen auch noch Blutproben für eine Bestimmung der Dioxinbelastung der Einsatzkräfte zur Verfügung, die ebenfalls noch ausgewertet werden sollen. Hinsichtlich hier nicht berücksichtigter Expositionsszenarien wird auch zusätzlicher Forschungsbedarf bei der Einschätzung der Exposition gegenüber krebserzeugenden Gefahrstoffen bei der Vegetationsbrandbekämpfung, dem Betrieb von holzbefeuerten Brandübungsanlagen sowie bei der Fragestellung zur effektiven und sicheren Wiederaufbereitung von kontaminierten PSA und Gerätschaften der Feuerwehr gesehen.

Stand:

23.03.2023

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Unfallkasse Baden-Württemberg
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, Gefahrstoffe

Schlagworte:

Arbeitsumwelt (Belastungen, Gefährdungen, Expositionen, Risiken), Krebserregende Stoffe, Exposition

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Krebsrisiko, Feuerwehr, Brandeinsatz, Brandrauch, PAK