Untersuchung der körperlichen Belastung beim Gepäcktransfer mit und ohne Entladehilfe an Flughäfen

Projekt-Nr. IFA 0511

Status:

abgeschlossen 02/2025

Zielsetzung:

Die Gepäckabfertigung stellt eine Basisarbeit am Flughafen München (MUC) dar und beinhaltet die hochgradig repetitive Lastgewichthandhabung. Dabei werden im Terminal Gepäckstücke von Transportwagen manuell auf Förderbänder transferiert. Eine beobachtungsbasierte Gefährdungsbeurteilung durch die Arbeitssicherheitsbeauftragten des MUC deutete auf eine hohe Muskel-Skelett-Belastung während dieser Tätigkeit hin. Des Weiteren wurde von der arbeitsmedizinischen Abteilung des MUC von einem vermehrten Aufkommen von Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund von Muskel-Skelett-Beschwerden in dem betroffenen Arbeitsbereich berichtet.

Zur physischen Entlastung der Beschäftigten in der Gepäckabfertigung wurde am MUC probeweise ein sogenannter Transfer Belt (Fa. Power Stow A/S) als mögliche Präventionsmaßnahme eingesetzt. Dieses kurze halbautomatische Förderband überbrückt die Distanz zwischen Transportwagen und Terminal-Förderband. Vor Projektbeginn wurde nicht ausreichend quantifiziert, inwiefern das Hilfsmittel zur Entlastung des Muskel-Skelett-Systems wirksam beiträgt.

Im Auftrag der Kommunalen Unfallversicherung Bayern / Bayerische Landesunfallkasse sollte das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) im Rahmen einer erweiterten Betriebsberatung orientierende betriebliche CUELA-Messungen durchführen. Die CUELA-Messungen fanden im September 2024 statt. Dabei wurde eine Bewegungs- und Belastungsanalyse an fünf Beschäftigten der Gepäckabfertigung durchgeführt.

Die messwertbasierten Untersuchungsergebnisse unterstützen den MUC bei der Gefährdungsbeurteilung des betroffenen Arbeitsplatzes (ohne Entladehilfe), insbesondere in Bezug auf Schulter- und Rückenbelastungen. Im Sinne der Prävention sollte die Entladehilfe Transfer Belt auf einen möglichen entlastenden Effekt untersucht und dieser objektiv quantifiziert werden.

Aktivitäten/Methoden:

Untersucht wurde die körperliche Belastung beim Gepäcktransfer von Gepäckwagen auf ein Förderband mit und ohne Entladehilfe. Die Entladehilfe war am Flughafen MUC im September 2024 zur Erprobung montiert worden.

Im Rahmen des Projekts wurden fünf männliche Vollzeitbeschäftigte (Alter: 30 ± 5,7 Jahre; Körpergröße: 181 ± 5 cm; BMI: 23,4 ± 2,7) untersucht, die im Umgang mit der Entladehilfe geschult waren.

Zur Ermittlung der körperlichen Belastung wurden Kinematik mit Ganzkörper-Bewegungserfassung (Awinda, Fa. Movella) sowie Herzschlagfrequenz (Forerunner, Fa. Garmin) mit dem CUELA-Messverfahren erfasst und analysiert. Die "vertikalen" Bodenreaktionskräfte wurden mittels kapazitiv messender Einlegesohlen im Arbeitssicherheitsschuh der Probanden erfasst. Das Projekt diente zusätzlich als Pilotmessung zur Evaluierung der grundsätzlichen Einbindungsmöglichkeit dieses Kraftmesssystems (Loadsol, Fa. Novel) in das CUELA-Messverfahren zur messwertbasierten Arbeitsplatzbewertung.

Ergebnisse:

Die Analyse der Ganzkörperkinematik zeigte, dass die Entladehilfe keinen positiven Einfluss auf die Rumpfneigung während des Entladevorgangs hat. Zudem konnte festgestellt werden, dass ihr Einsatz eine einseitige Arbeitsausführung begünstigen kann. Die Untersuchung der Bodenreaktionskräfte ergab, dass bei fachgerechter Handhabung eine deutliche Reduktion des Kraftaufwandes möglich ist. Die mittels Einlegesohlen gemessenen Werte erwiesen sich im Vergleich zu den vom Flughafen München angebenden mittleren Gepäckstückmassen (18 kg) als plausibel. Die approximierten mittleren Lastgewichte wurden in das biomechanische Modell "Der CUELA Dortmunder" eingebracht. Dadurch konnte die lumbale Kompressionskraft sowohl situativ, bei einzelnen Entladevorgängen, als auch kumulativ in der Tagesschichtdosis betrachtet werden. Es zeigte sich, dass das technische Hilfsmittel die Kompressionskraft zwar deutlich reduziert, die Tagesschichtdosis jedoch aufgrund der hohen Anzahl und Massen der bewegten Gepäckstücke weiterhin auf einem hohen Niveau bleibt. Die Messung der Herzfrequenz erwies sich als zu träge, um eine verlässliche Aussage über eine mögliche Entlastung des Herz-Kreislauf-Systems durch die Entladehilfe treffen zu können. Gleichzeitig zeigte sich, dass die eingesetzte Methodik zur Erfassung des Lastgewichts (über Kraftmess-Einlegesohlen) für den Feldeinsatz weiterentwickelt werden muss. Versuchsreihen zur Validierung der Kraftmess-Einlegesohlen im arbeitswissenschaftlichen Kontext werden aktuell durchgeführt.

Die Ergebnisse legen insgesamt nahe, dass die Entladehilfe einen rückenentlastenden Effekt hat. Damit bieten diese eine Entscheidungshilfe für den MUC bei der Planung und Umsetzung präventiver Umbaumaßnahmen am bestehenden Terminal und der Planung eines Terminal-Neubaus. Darüber hinaus lassen sich aus den gewonnenen Erkenntnissen arbeitsorganisatorische Maßnahmen ableiten, insbesondere im Hinblick auf Schulungen und Sensibilisierung der Beschäftigten. Entsprechende Empfehlungen sollen u. a. im Rahmen neu aufgesetzter Schulungsprogramme berücksichtigt werden.

Die Ergebnisse sind auch auf vergleichbare Gepäckabfertigungssysteme anderer Flughäfen übertragbar.

Ergänzend wurden die Untersuchungsergebnisse für das Schulterkataster-Projekte aufbereitet und (IFA-4258-Messwertkataster SchulterKatast) nutzbar gemacht.

Stand:

28.08.2025

Projekt

Projektdurchführung:
  • UV-übergreifend
  • KUVB
Branche(n):

Verkehr

Gefährdungsart(en):

Handhabung von Lasten

Schlagworte:

Ergonomie, Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsmittel

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Gepäckabfertigung, Basisarbeit, Ergonomie, Lastgewicht, Muskel-Skelett-Beschwerden, Förderband, Transportwagen

Kontakt

Weitere Informationen

Gräßle, D.; Campos, S.; Heinrich, K.; Wynands, P.; Hermanns-Truxius, I.; Schiefer, C.: Untersuchung der muskuloskelettalen Belastungsreduktion
durch eine halbautomatische Entladehilfen in der
Flughafengepäckabfertigung. 71. Arbeitswissenschaftlicher Kongress, Tagungsband 2025, Nr. 44, GfA-Press, Sankt Augustin 2025, ISBN 978-3-936804-36-2

Veröffentlichung (vgl. 2.) im Sonderheft (2/25) der „Zeitschrift für Arbeitswissenschaft” aufgrund der Nominierung für den „Best in Session”-Award, 71. GfA-Frühjahrskongress, Aachen