Zur Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung

Am Dienstag, den 18.09.2018 erschien in der Printausgabe der Süddeutschen Zeitung der Artikel "Nebel um Nummer 1317" der Autoren Christina Berndt und Johannes Ludwig. Auf der Internetseite veröffentlichten sie den Artikel unter der Überschrift "Teilsieg für Menschen, die der Job krank machte". In ihrem Text schreiben Christina Berndt und Johannes Ludwig, dass aufgrund eines von ihnen am 26. Mai in der Süddeutschen Zeitung publizierten Artikels (siehe Kommentar weiter unten) ein "entscheidender Passus" im "neuen Report" der DGUV zur Berufskrankheit 1317 (d. h. die 3. Auflage, erschienen 2018) geändert worden sei.

Dies entspricht nicht den Tatsachen. Der von den Autoren zitierte Passus steht nahezu wortgleich bereits in der zweiten Auflage des Reports aus dem Jahr 2007. Lediglich zwei Worte, die nicht sinnverändernd sind, wurden geändert. Dass Krankheitsschäden nach einer Exposition mit Lösemitteln erst später auftreten können, ist demnach schon seit 2007 nicht ausgeschlossen.

Die wissenschaftliche Einschätzung der "Malerkrankheit" und damit auch die Grundlagen für eine Anerkennung dieser Berufskrankheit haben sich demnach - entgegen der Aussage des Artikels ("Diese Änderung ist wesentlich.") und der zusammenfassenden Teaser zum Online-Artikel - nicht verändert.

Der am 26. Mai publizierte Artikel der Autoren hatte keinerlei Einfluss auf den Inhalt der neuen Auflage des DGUV-Reports zur BK 1317. Auch die Schlussfolgerungen, die der Artikel vom 18.09.2018 daraus zieht, entsprechen damit nicht den Tatsachen.

(Beide Fassungen des Reports: www.dguv.de/ifa/publikationen/reports-download/reports-2018/bk-report-1-2018)

Am Samstag, den 26. Mai 2018 ist in der gedruckten Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ein Beitrag mit der Überschrift "Das Kartell" sowie gleichlautend am 27. Mai online unter dem Titel "Wenn der Beruf krank macht" erschienen. Eine Kurzfassung erschien zugleich mit dem Titel "Diagnose: Am Job liegt es nicht".

Der Titelbegriff "Kartell" der Printausgabe findet sich im gesamten Text nicht wieder. Er wird weder definiert noch im Kontext erläutert.

Der Beitrag stellt die These auf, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung habe "ein ausgeklügeltes System errichtet", - "offenbar, um so wenig Renten zu gewähren, wie irgend möglich". Offenbar gründet diese These auf unvollständigen Informationen über das "System" der gesetzlichen Unfallversicherung, wie wir an Hand der folgenden Passagen beispielhaft aufzeigen möchten:

Im Beitrag (Langfassung) heißt es: "Die Macht der DGUV reicht sehr, sehr weit. Sie ist nicht nur die Instanz, die bei Gesundheitsschäden zahlt. Sie definiert zugleich, was als Gesundheitsschaden gilt."

Richtig ist: Nicht die DGUV entscheidet über die Anerkennung einer Berufskrankheit bei einem oder einer Versicherten, sondern die jeweilige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Weder die DGUV noch ihre Mitglieder definieren die Kriterien der Anerkennung von Gesundheitsschäden, sondern das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der "Berufskrankheiten-Verordnung ()". Dies ist im Sozialversicherungsrecht (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VII) gesetzlich geregelt. Dort ist auch bestimmt, dass der Verordnungsgeber neue Berufskrankheiten nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Verordnung aufnehmen darf. Bei der Erarbeitung der Verordnung beruft das Ministerium zur fachlichen Beratung einen Ärztlichen Sachverständigenbeirat () ein.

Weiter heißt es: "Während die Berufsgenossenschaften Körperschaften öffentlichen Rechts sind und parlamentarischer Kontrolle unterliegen, steht an ihrer Spitze mit der DGUV ein eingetragener Verein ohne besondere Auskunftspflicht oder Aufsicht."

Richtig ist: Die DGUV unterliegt wie ihre Mitglieder dem Prinzip der Selbstverwaltung. In ihren Selbstverwaltungsgremien sind sowohl die Arbeitgeber als auch die Versicherten (Arbeitnehmer) mit jeweils gleicher Stimmenzahl (paritätisch) vertreten. Die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger in Deutschland ist im vierten Buch Sozialgesetzbuch (§29, SGB IV) geregelt.

Beispielhaft ist auch der folgende Passus (Kurzfassung): Zu jenem "ausgeklügelten System […] gehören enge Verflechtungen der DGUV mit Deutschlands Arbeitsmedizin, die Gutachter in den Prozessen vor dem Sozialgericht stellt." Zudem finanziere die DGUV Stiftungslehrstühle, betreibe eine eigene Hochschule für ihren Nachwuchs und unterhalte eigene Forschungsinstitute (Kurzfassung). An anderer Stelle (Langfassung) wird dies mit den Worten problematisiert, „wenn sich Berufsgenossenschaften in die Forschung einmischen."

Tatsächlich ist es ausdrücklicher gesetzlicher Auftrag der Unfallversicherung, Forschung zu betreiben und damit auch zu deren Finanzierung beizutragen, wie dies u.a. im §9 des SGB VII festgeschrieben ist: "Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären."

Dies vorausgeschickt können zahlreiche im Beitrag ausgesprochene Wertungen nicht nachvollzogen werden. Es bleibt unklar, worauf sich das Urteil der Autoren gründet, wenn sie eine "Anerkennungsquote" ohne Nennung von Maßstäben oder Begründung als "absurd niedrig" bezeichnen. Welche Aussagekraft hat das Verhältnis von Anerkennungen zu Verdachtsanzeigen für die Qualität der Sachentscheidungen? Welche "seriösen Fachzeitschriften" (in welchen Fällen und mit welcher Begründung) den schwerwiegenden Vorwurf erheben, dass in organisationseigenen Instituten "unsauber geforscht wurde", wird nicht genannt. Vor diesem Hintergrund ist eine sachliche Erwiderung nicht möglich.

Die DGUV ist offen für eine Diskussion über die Weiterentwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein Dialog ist aber für die Öffentlichkeit nur dann verwertbar, wenn sich die Beteiligten auf gemeinsame Grundlagen der Erörterung verständigen können.