abgeschlossen 03/2023
Die Digitalisierung der Arbeitswelt hat zu einer weiten Verbreitung von mobiler Bildschirmarbeit geführt. Durch die COVID-19-Pandemie hat insbesondere das Homeoffice als Form mobiler Arbeit an Bedeutung gewonnen und wird wahrscheinlich auch nach der Pandemie weiter einen hohen Stellenwert in der Arbeitswelt haben. Politisch ist die mobile Arbeit mit dem Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil und dem Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode in den Fokus der Öffentlichkeit getreten. Verschiedene Arbeitsschutzausschüsse und auch die gesetzliche Unfallversicherung beschäftigen sich aktuell mit der Sicherheit und Gesundheit bei mobiler Arbeit.
Die schnell voranschreitende technische Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ermöglicht das ortsflexible Arbeiten an Bildschirmgeräten außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte, z. B. im häuslichen Bereich, im Zug oder am Flughafen. Fehlbelastungen der Augen oder des Muskel-Skelett-Systems gelten bei der Arbeit an Bildschirmgeräten als mögliche Gefährdungsfaktoren für die Gesundheit. Es ist unklar, ob sich gesicherte Erkenntnisse zu Gefährdungen bei stationärer Bildschirmarbeit auf mobile Bildschirmarbeit übertragen lassen. Somit ist auch nicht bekannt, inwieweit Verordnungen und Empfehlungen zum Schutz der Beschäftigten, beispielsweise zur ergonomischen Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen, auf die verschiedenen Szenarien der mobilen Arbeit übertragbar sind. In Deutschland gibt es aktuell nur wenige konkrete Informationen und Empfehlungen hinsichtlich einer ergonomischen Gestaltung der IKT-basierten mobilen Arbeit. Im Unterschied zur Telearbeit gibt es keine speziellen Regelungen und Arbeitgebende können bei der mobilen Arbeit nur begrenzt Einfluss auf die Arbeitsumstände (Arbeitsort, Arbeitszeit oder Arbeitsdauer) nehmen. Umso wichtiger ist es, Arbeitgebenden, Arbeitsschutzakteuren und Beschäftigten adäquate Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Grundlage hierfür müssen gesicherte Erkenntnisse über die Auswirkungen der mobilen Bildschirmarbeit auf die Gesundheit sein.
Bislang fehlt eine Übersicht, inwieweit verschiedene Faktoren der IKT-basierten mobilen Arbeit (Gerätetypen, Nutzungsdauern, Nutzerschnittstellen, Umgebungsfaktoren, …) die physische Gesundheit (Muskel-Skelett-System, Augen) beeinflussen. Daher wurde in einer systematischen Literaturrecherche der aktuelle internationale Forschungsstand zum Einfluss IKT-basierter mobiler Arbeit auf die körperliche Gesundheit zusammengetragen. Betrachtet wurden verschiedene ergonomische Einflussfaktoren. Hierzu gehören die unterschiedlichen Geräte, die typischerweise in mobilen Arbeitssituationen verwendet werden (Laptop, Tablet, Smartphone), die Dauer der jeweiligen Nutzung, die Nutzerschnittstellen (Eingabe-/Ausgabemittel), das Mobiliar und der Arbeitsumgebungsfaktor Licht. Der Fokus der gesundheitlichen Outcomes liegt auf Risikofaktoren und Prävalenzen von muskuloskelettalen Beschwerden wie Schmerzen und Erkrankungen sowie Beschwerden der Augen und des Sehvermögens. Weitere Ziele dieses Projekts waren die Aufbereitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse als Grundlage für praktische Handlungsempfehlungen zur ergonomischen Gestaltung mobiler Bildschirmarbeit und die Identifizierung von Forschungslücken für eventuelle Folgeprojekte.
Im Rahmen dieser systematischen Literaturrecherche wurden zunächst geeignete Suchbegriffe und Auswahlkriterien für die Literatursuche definiert, bestehend aus technischen Begriffen der IKT in Kombination mit der Arbeitsform und ergonomischen Fachbegriffen, die im Kontext beruflicher Tätigkeiten gesucht wurden. Außerdem wurden gängige physische Beeinträchtigungen des Muskel-Skelett-Systems und der Augen eingeschlossen. Nach Möglichkeit sollten die gewonnen Informationen für typische Szenarien der mobilen Arbeit wissenschaftliche Erkenntnisse zu physischen Belastungen liefern, bei denen Beschäftigte unterschiedlich stark Einfluss auf ihre Arbeitsumgebung nehmen können. Die Literaturrecherche wurde in ausgewählten nationalen und internationalen Datenbanken durchgeführt. Nur wissenschaftlich begutachtete Zeitschriftenaufsätze in deutscher und englischer Sprache wurden in die Auswahl der Literatur einbezogen. Der Einschluss der geeigneten Literatur erfolgte durch ein mehrstufiges verblindetes Screeningverfahren, durchgeführt von mehreren Personen. Die Einschlusskriterien ergaben sich aus der nach dem PICO-Schema formulierten Forschungsfrage. Der Prozess der Literatursuche und Auswahl wurde nach dem PRISMA-Schema durchgeführt. Im ersten Schritt wurden die Titel analysiert. Im zweiten Schritt wurden die Abstracts der Vorauswahl einer näheren Begutachtung unterzogen. Die relevanten Artikel wurden in einem dritten Schritt komplett begutachtet und die Ergebnisse auf eine mögliche Verzerrung (BIAS) hin untersucht. Anschließend wurden die Erkenntnisse analysiert und die Ergebnisse der Literaturrecherche veröffentlicht.
Die Literaturübersicht zeigt, dass ungünstige Körperhaltung, bestimmte Arbeitsgeräte und auch nachteilige Umgebungsfaktoren bereits bei vergleichsweise kurzen Arbeitszeiten zu diversen körperlichen Beschwerden führen können. Meist fanden sich die vermehrten Beschwerden im Vergleich zur Arbeit an einem stationären Desktop-Computer.
Die drei Forschungsfragen (und deren Beantwortung in Kurzform) aus der intern. eingereichten Publikation werden hier ergänzend aufgeführt:
Längere, ununterbrochene Arbeitsintervalle allein mit mobilen Geräten sollten überdacht und mit besonderer Vorsicht eingeplant werden. Arbeitsgerät- und Aufgabenwechsel können vor Beschwerden ebenso schützen wie aktive Pausen und Haltungsänderungen. Ungünstige Arbeitspositionen können z. B. durch Erhöhen der Arbeitsfläche oder Abstützen der Arme verbessert werden. Es sollte auf die richtige Gerätewahl für die entsprechenden Aufgaben geachtet werden. Generell nicht zu empfehlen ist längerfristiges Arbeiten z. B. nur mit Touchscreen oder unter ungünstigen Einflüssen auf die optische Wahrnehmung (Reflexionen, Blendung, Schriftgröße usw.).
Aus den Ergebnissen sollen Anforderungen und Empfehlungen aus ergonomischer Sicht abgeleitet werden als Grundlage für die Überarbeitung der DGUV-I 211-040 "Einsatz mobiler Informations- und Kommunikationstechnologie an Arbeitsplätzen".
Genaue quantitative Werte, z. B. wie lange mit welchem mobilen Gerät mit welcher Arbeitsaufgabe maximal verbracht werden sollte, können anhand der gesichteten Studienergebnisse noch nicht abgeleitet werden. Das IFA plant daher weitere Untersuchungen, um hier konkrete Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung bei mobiler Arbeit abzuleiten. Forschungsbedarf besteht, abgeleitet aus den Ergebnissen des Projektes, außerdem in den Bereichen unübliche Körperhaltungen, längere Nutzungsdauern und speziell im Vergleich unterschiedlich ausgestatteter Arbeitsplätze (z. B. Laptop mit und ohne Zusatzgeräte).
Aktuell wird an der internationalen Veröffentlichung in einem Fachjournal gearbeitet. Die Arbeit wird entsprechend vorbereitet und durchläuft dann den Begutachtungsprozess des jeweiligen Journals. Die Ergebnisse wurden auf mehreren Fachtagungen mit ihrem jeweiligen aktuellen Stand in Vorträgen und Postern präsentiert. Unter anderem waren dies:
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Gestaltung von Arbeit und Technik
Schlagworte:Bildschirmarbeit
Weitere Schlagworte zum Projekt:mobile Bildschirmarbeit, Homeoffice, Arbeiten unterwegs, Laptop, Tablet, Smartphone, physische Belastungen, Körperhaltung, Muskel-Skelett-System, Augengesundheit, Literaturrecherche