Auswirkungen von Datenbrillen auf Arbeitssicherheit und Gesundheit (ADAG)

Projekt-Nr. IFA 0501

Status:

laufend 03/2022

Zielsetzung:

Neue Technologien, insbesondere Datenbrillen, werden immer häufiger in den Mitgliedsunternehmen der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen eingesetzt. Datenbrillen können Informationen ins Sichtfeld einer Person einblenden, während die Hände zur Aufgabenerfüllung frei bleiben. Mögliche Auswirkungen und Risiken für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beim Einsatz von Datenbrillen an gewerblichen Arbeitsplätzen sind allerdings noch nicht ausreichend untersucht.

Ziel des Projekts "Auswirkungen von Datenbrillen auf Arbeitssicherheit und Gesundheit (ADAG)" ist die Erstellung einer Handlungsempfehlung als Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung beim Einsatz von Datenbrillen an Arbeitsplätzen in den Bereichen Handel, Logistik, Service und Montage. Die Handlungsempfehlung soll auf Erkenntnissen aus Feldstudien und Laborstudien sowie einer Literatur- und Marktrecherche basieren.

Das BGHW geförderte Forschungsprojekt wurde vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) in Kooperation mit dem RheinAhrCampus (RAC) der Hochschule Koblenz, dem Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin Hamburg-Eppendorf und der School of Applied Sciences der South Bank University London durchgeführt.

Aktivitäten/Methoden:

Das Projektziel wurde in drei Teilprojekten durch die Kooperationspartner verfolgt:

Im ersten Teilprojekt wurde anhand einer Literatur- und Marktrecherche ein Überblick über den Stand der Wissenschaft und Technik bezüglich Bauformen, Einsatzmöglichkeiten und möglichen Auswirkungen auf Gesundheit und Arbeitssicherheit bei der Verwendung von Datenbrillen erstellt. Hierbei war das IFA beratend und konzeptionell beteiligt.

Im zweiten Teilprojekt wurden in Feld- und Laborstudien verschiedene Belastungsparameter bei der Nutzung von Datenbrillen durch die Forschungspartner und das IFA untersucht. Coronabedingt musste das Vorgehen gegenüber dem ursprünglichen Plan teilweise angepasst werden. Das IFA beteiligte sich an den Studien wie folgt:

  1. Feldstudie: Haltungs- und Bewegungsanalyse mit dem Messsystem CUELA (Computer-Unterstützte Erfassung und Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Skelett-Systems; Durchführung: Stabsstelle Gestaltung neuer Arbeitsformen). Bei der Kommissionierung und Montage wurden in drei Unternehmen (zweimal Lagerlogistik, einmal Flugzeugmontage) an insgesamt 15 Beschäftigten Messungen mit dem CUELA-System durchgeführt. Hierbei wurde die charakteristische Körperhaltung und -bewegung bei der Nutzung von Datenbrillen im Vergleich zum herkömmlichen Arbeitsmittel (Handscanner oder Tablet) analysiert.
  2. Laborstudie: Das Einsatzszenario der Lagerlogistik wurde im Labor des RAC nachgestellt, um weitere Analysen durchzuführen. Hierbei wurden unter konstanten Laborbedingungen verschiedene Datenbrillen miteinander verglichen. Das CUELA Untersuchungssetup aus der Feldstudie wurde hier ebenfalls eingesetzt und in gleicher Weise analysiert.
  3. Laborstudie: Berechnung der EMF-Exposition (EMF: Elektromagnetische Felder; Durchführung: Bereich 5.2 Maschinensicherheit, Industrial Security und Implantate)

Die drahtlose Kommunikation bei Datenbrillen erfolgt per Bluetooth oder WLAN-Technologie. Hierfür notwendige Komponenten, wie z. B. die Antenne, sind im Bügel verbaut und befinden sich somit in unmittelbarer Nähe zum Kopf.

Die Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV) legt Expositionsgrenzwerte als spezifische Absorptionsraten (SAR) fest. Die SAR beschreiben die Absorption der elektromagnetischen Energie im Gewebe des Kopfes und können messtechnisch nicht überprüft werden. Sie können aber über numerische Berechnungen unter Verwendung digitaler anatomischer Körpermodelle ermittelt werden. Hierfür wird die Simulationsplattform SIM4LIFE eingesetzt.

Neben der Überprüfung der zulässigen SAR-Werte im Kopf soll zudem untersucht werden, welchen Einfluss die Art und die Platzierung der Antenne am Kopf auf die Verteilung der SAR Werte in den einzelnen Gewebearten hat.

Im dritten Teilprojekt wurde auf Basis der in Teilprojekt 1 und 2 gewonnenen Erkenntnisse eine Handlungsempfehlung und Checkliste zur Sicherheit und Gesundheit beim Einsatz von Datenbrillen entwickelt. Hieran war das IFA beratend, konzeptionell und inhaltlich beteiligt.

Ergebnisse:

Ergebnisse zu 1. Feldstudie und 2. Laborstudie:

Durch die Verwendung der Datenbrille (ggf. in Kombination mit anderen Arbeitsmitteln, wie z. B. einem Ringscanner) kann sich die Haltung und Bewegung des Körpers während der Arbeitstätigkeit verändern, was zu einer veränderten Risikobewertung bezogen auf die Schädigung des Muskel-Skelett-Systems führen kann. Im Feld wurde ein geringer Zeitanteil (~1%) der Interaktion mit der Datenbrille festgestellt, der im Labor deutlich gesteigert werden konnte (~13% Zeitanteil). Im Vergleich der Nutzung einer Datenbrille mit dem bisherigen Arbeitsmittel sind in den Betrieben sowohl positive als auch negative Effekte auf die Muskel-Skelett-Belastung durch Nutzung einer Datenbrille festgestellt worden. Da keine pauschale Bewertung der Datenbrillennutzung möglich ist, sollte die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes für die Nutzung von Datenbrillen im Sinne einer Gefährdungsbeurteilung jeweils erneut geprüft werden.

Ergebnisse zu 3. Laborstudie:

Die Simulationsberechnungen erforderten ein abstrahiertes Modell des komplexen Aufbaus einer Datenbrille und wurden mit den für WLAN- und Bluetooth-Anwendungen gesetzlich erlaubten Frequenzen (2,432 GHz; 5,24 GHz; 5,54 GHz und 5,785 GHz) und den hierfür jeweils zulässigen maximalen Ausgangsleistungen durchgeführt. Die unter diesen Voraussetzungen gewonnenen Ergebnisse erlauben eine gute qualitative Bewertung der EMF-Exposition und der Verteilung der SAR-Werte im menschlichen Gewebe des Kopfes.

Folgende Erkenntnisse konnten gewonnen werden:

  1. Die zulässigen SAR-Werte gemäß EMFV wurden eingehalten. Nur für eine Frequenz von 5,54 GHz konnten bei einer maximalen Ausgangsleistung von 1 W in einzelnen Geweben Überschreitungen festgestellt werden. In der Realität liegen die tatsächlichen Ausgangsleistungen in der Regel aber weit unterhalb der zulässigen maximalen Ausgangsleistungen, was zu einer stark reduzierten Exposition führt.
  2. Die Monopolantenne erwies sich hinsichtlich der EMF-Exposition als etwas ungünstiger. Insgesamt zeigte sich aber kein signifikanter Unterschied der Verteilung der SAR-Werte in Abhängigkeit von dem verwendeten Antennentyp (monopol, PIF-A - Planar Inverted F-Shaped Antenna).
  3. Den größten Einfluss auf die Verteilung der SAR-Werte hatte die Positionierung der Antenne. Hier erwies sich die Positionierung an der Vorderseite des Kopfes als die optimale, da sie den größten Abstand zum Kopf erlaubt.

Die Erkenntnis aus den Untersuchungen aller Forschungspartner sind in einer Handlungsempfehlung und Checkliste zusammengestellt worden. Auf dieser Grundlage und der bereits erarbeiteten FB Aktuell wird nun eine DGUV-I zum arbeitsschutzgerechten Einsatz von Datenbrillen gemeinsam mit der BGHW und BGHM erarbeitet.

Stand:

12.10.2022

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
  • Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • RheinAhrCampus (RAC) der Hochschule Koblenz
  • Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • School of Applied Sciences, South Bank University London, England
  • KonicaMinolta Buisness Innovation Center Europe
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren

Schlagworte:

Neue Technologien, Ergonomie, Elektromagnetische Felder

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Datenbrillen, assisted Reality, mixed reality, Gefährdungsbeurteilung, Warenlogistik, Kommissionierung, Montage

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