laufend 03/2022
Neue Technologien, insbesondere Datenbrillen, werden immer häufiger in den Mitgliedsunternehmen der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen eingesetzt. Datenbrillen können Informationen ins Sichtfeld einer Person einblenden, während die Hände zur Aufgabenerfüllung frei bleiben. Mögliche Auswirkungen und Risiken für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beim Einsatz von Datenbrillen an gewerblichen Arbeitsplätzen sind allerdings noch nicht ausreichend untersucht.
Ziel des Projekts "Auswirkungen von Datenbrillen auf Arbeitssicherheit und Gesundheit (ADAG)" ist die Erstellung einer Handlungsempfehlung als Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung beim Einsatz von Datenbrillen an Arbeitsplätzen in den Bereichen Handel, Logistik, Service und Montage. Die Handlungsempfehlung soll auf Erkenntnissen aus Feldstudien und Laborstudien sowie einer Literatur- und Marktrecherche basieren.
Das BGHW geförderte Forschungsprojekt wurde vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) in Kooperation mit dem RheinAhrCampus (RAC) der Hochschule Koblenz, dem Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin Hamburg-Eppendorf und der School of Applied Sciences der South Bank University London durchgeführt.
Das Projektziel wurde in drei Teilprojekten durch die Kooperationspartner verfolgt:
Im ersten Teilprojekt wurde anhand einer Literatur- und Marktrecherche ein Überblick über den Stand der Wissenschaft und Technik bezüglich Bauformen, Einsatzmöglichkeiten und möglichen Auswirkungen auf Gesundheit und Arbeitssicherheit bei der Verwendung von Datenbrillen erstellt. Hierbei war das IFA beratend und konzeptionell beteiligt.
Im zweiten Teilprojekt wurden in Feld- und Laborstudien verschiedene Belastungsparameter bei der Nutzung von Datenbrillen durch die Forschungspartner und das IFA untersucht. Coronabedingt musste das Vorgehen gegenüber dem ursprünglichen Plan teilweise angepasst werden. Das IFA beteiligte sich an den Studien wie folgt:
Die drahtlose Kommunikation bei Datenbrillen erfolgt per Bluetooth oder WLAN-Technologie. Hierfür notwendige Komponenten, wie z. B. die Antenne, sind im Bügel verbaut und befinden sich somit in unmittelbarer Nähe zum Kopf.
Die Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV) legt Expositionsgrenzwerte als spezifische Absorptionsraten (SAR) fest. Die SAR beschreiben die Absorption der elektromagnetischen Energie im Gewebe des Kopfes und können messtechnisch nicht überprüft werden. Sie können aber über numerische Berechnungen unter Verwendung digitaler anatomischer Körpermodelle ermittelt werden. Hierfür wird die Simulationsplattform SIM4LIFE eingesetzt.
Neben der Überprüfung der zulässigen SAR-Werte im Kopf soll zudem untersucht werden, welchen Einfluss die Art und die Platzierung der Antenne am Kopf auf die Verteilung der SAR Werte in den einzelnen Gewebearten hat.
Im dritten Teilprojekt wurde auf Basis der in Teilprojekt 1 und 2 gewonnenen Erkenntnisse eine Handlungsempfehlung und Checkliste zur Sicherheit und Gesundheit beim Einsatz von Datenbrillen entwickelt. Hieran war das IFA beratend, konzeptionell und inhaltlich beteiligt.
Ergebnisse zu 1. Feldstudie und 2. Laborstudie:
Durch die Verwendung der Datenbrille (ggf. in Kombination mit anderen Arbeitsmitteln, wie z. B. einem Ringscanner) kann sich die Haltung und Bewegung des Körpers während der Arbeitstätigkeit verändern, was zu einer veränderten Risikobewertung bezogen auf die Schädigung des Muskel-Skelett-Systems führen kann. Im Feld wurde ein geringer Zeitanteil (~1%) der Interaktion mit der Datenbrille festgestellt, der im Labor deutlich gesteigert werden konnte (~13% Zeitanteil). Im Vergleich der Nutzung einer Datenbrille mit dem bisherigen Arbeitsmittel sind in den Betrieben sowohl positive als auch negative Effekte auf die Muskel-Skelett-Belastung durch Nutzung einer Datenbrille festgestellt worden. Da keine pauschale Bewertung der Datenbrillennutzung möglich ist, sollte die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes für die Nutzung von Datenbrillen im Sinne einer Gefährdungsbeurteilung jeweils erneut geprüft werden.
Ergebnisse zu 3. Laborstudie:
Die Simulationsberechnungen erforderten ein abstrahiertes Modell des komplexen Aufbaus einer Datenbrille und wurden mit den für WLAN- und Bluetooth-Anwendungen gesetzlich erlaubten Frequenzen (2,432 GHz; 5,24 GHz; 5,54 GHz und 5,785 GHz) und den hierfür jeweils zulässigen maximalen Ausgangsleistungen durchgeführt. Die unter diesen Voraussetzungen gewonnenen Ergebnisse erlauben eine gute qualitative Bewertung der EMF-Exposition und der Verteilung der SAR-Werte im menschlichen Gewebe des Kopfes.
Folgende Erkenntnisse konnten gewonnen werden:
Die Erkenntnis aus den Untersuchungen aller Forschungspartner sind in einer Handlungsempfehlung und Checkliste zusammengestellt worden. Auf dieser Grundlage und der bereits erarbeiteten FB Aktuell wird nun eine DGUV-I zum arbeitsschutzgerechten Einsatz von Datenbrillen gemeinsam mit der BGHW und BGHM erarbeitet.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren
Schlagworte:Neue Technologien, Ergonomie, Elektromagnetische Felder
Weitere Schlagworte zum Projekt:Datenbrillen, assisted Reality, mixed reality, Gefährdungsbeurteilung, Warenlogistik, Kommissionierung, Montage