abgeschlossen 07/2021
Die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung (PSA) zur Absturzsicherung ist an Arbeitsplätzen in großer Höhe eine wichtige Präventionsmaßnahme. Die korrekte Handhabung der Ausrüstung liegt nicht nur im Interesse des Arbeitgebers für die Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten, sondern primär im eigenen Interesse der Beschäftigten. Das Wissen zur Höhensicherung der Beschäftigten wird in einer jährlichen Sicherheitsunterweisung vermittelt und aufgefrischt. Dennoch wurde teilweise von einer mangelnden Bereitschaft zur Nutzung bzw. einer nicht korrekten Handhabung der Ausrüstung zur Höhensicherung berichtet. Eine Besonderheit hierbei war, dass die Schutzfunktion der eigenen PSA durch unachtsames Verhalten anderer Teampartner aufgehoben werden kann.
Aufgrund der Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze sollte für die Sicherheitsunterweisung ein ergänzendes Schulungstool in virtueller Realität (VR) entwickelt werden, das als Teil eines Blended-Learning-Konzeptes die theoretische Sicherheitsunterweisung und die Praxisübung ergänzt. Es wurde das Ziel einer nachhaltigen Wissensvermittlung zur Erhöhung der Akzeptanz und Einübung der korrekten Handhabung der erforderlichen Höhensicherung verfolgt. Die Eignung des Schulungstools sollte in der Praxis erprobt und von den Testnutzern evaluiert werden.
Im Rahmen einer Vor-Ort-Besichtigung bei Airbus, Hamburg wurden zunächst die Arbeitsplätze besichtigt. In Zusammenarbeit mit den Auftraggebern wurden die größten Gefahrenstellen bei der Lackierung des Flugzeugtyps A380 identifiziert. Für diese Arbeitsplätze und ihre typischen Absturzgefahrensituationen wurde ein Schulungstool in virtueller Realität entwickelt, welches ergänzend zur Sicherheitsunterweisung eingesetzt werden kann.
Durch die Simulation der gefährdenden Arbeitsplätze und -situationen kann den Beschäftigten die Wichtigkeit sicherheitsrelevanten Verhaltens nahegebracht werden, ohne sie realen Gefährdungen bei tatsächlichem Fehlverhalten auszusetzen. Im Vordergrund stehen das Erkennen der Gefahrenstellen und der korrekte Einsatz der PSA. Hierzu wurde ein Storyboard mit verschiedenen Arbeitsszenen erstellt und die Szenen anschließend in virtueller Realität (Unity) umgesetzt. Das VR-Schulungstool wurde im Betrieb von 45 Beschäftigten der Flugzeuglackierung getestet. Eine Überprüfung der Praxistauglichkeit wurde mittels einer Evaluation des VR-Tools durchgeführt. Der verwendete Fragebogen basiert auf dem Training Evaluation Inventory [Ritzmann et al.]. Neben der Unterstützung durch mehrere Bereiche des IFA erfolgte zur Entwicklung und Analyse der Evaluation ein Austausch mit Prof. Dr. Annette Kluge und Prof. Dr. Vera Hagemann.
Im Rahmen des Projekts zur Absturzprävention wurde, basierend auf einem Storyboard, ein Schulungstool in virtueller Realität erstellt. Durch die enge Abstimmung der Inhalte mit dem Praxispartner konnten hier bereits vor der Umsetzung in VR wichtige Inhalte identifiziert und in der weiteren Planung berücksichtigt werden. In dem aus mehreren Szenen bestehenden Schulungstool können die Beschäftigten den Umgang mit der PSA und sicheres Verhalten auf der Teleplattform und auf dem Flugzeugflügel in virtueller Realität üben und damit theoretisches Wissen praktisch anwenden. Das erstellte Lehrkonzept für die Sicherheitsunterweisung baut auf dem Blended-Learning-Konzept auf, das zu einem nachhaltigeren Lernerfolg führt. Begleitend zum VR-Schulungstool wurden ein Informationsblatt und ein Tutorial-Video zur Bedienung der VR-Technik für die Teilnehmenden erstellt. Für die Schulungsleitenden wurde ein Leitfaden erstellt, der die Lernziele vermittelt, die Einrichtung und Bedienung der Hardware umfasst sowie die Beschreibung und den Ablauf der VR-Szenen. Dadurch wird auch bei wechselnden Schulungsleitenden sichergestellt, dass die Teilnehmenden während der Schulung unterstützt werden. Zusätzlich wurde ein Film erstellt, in dem ein Dummy (vom IFA) einen Absturz von der Teleplattform erlebt. Der Film verdeutlicht, dass die Nutzung der PSA einen Absturz auf den Hallenboden verhindert, aber Verletzungen immer noch möglich sind. Die korrekte Nutzung der PSA zur Absturzprävention ist entscheidend für die Unfallprävention an Höhenarbeitsplätzen.
Insgesamt wurde die Schulung sehr positiv bewertet. Ältere Beschäftigte zeigten sich am Anfang besonders skeptisch und standen nach der Teilnahme dem Einsatz neuer Techniken in der Sicherheitsunterweisung besonders positiv gegenüber. Teilnehmende, die besonders gut über Erlebnisse lernen, stimmen den Aussagen, dass sie ihr Wissen vertiefen konnten und die Ziele am Anfang klar formuliert wurden, noch mehr zu als die Gruppe, die eher über andere Wege neue Dinge lernt. Auch befürworten sie den Einsatz von weiteren VR-Schulungen in der Sicherheitsunterweisung. Das Lernformat in Kleingruppen mit drei bis vier Personen führte zu einer höheren Interaktion mit dem Schulungsleitenden, als dies in der Großgruppe bei der klassischen Sicherheitsunterweisung bisher beobachtet wurde. Auch dies wurde von den Teilnehmenden und dem Praxispartner positiv bewertet.
Das Projekt zeigt, dass eine praktische Übung in virtueller Realität ergänzend zur Sicherheitsunterweisung von allen befragten Beschäftigten positiv bewertet wird. Gerade für langjährige Beschäftigte ist die Abwechslung in der didaktischen Aufbereitung der sicherheitsrelevanten Informationen ein Gewinn.
Fahrzeugbau
Gefährdungsart(en):Qualifizierung/Aus- und Weiterbildung
Schlagworte:Sturz- und Absturzgefährung
Weitere Schlagworte zum Projekt:virtuelle Realität, Höhensicherung, Absturz, PSA, Schulung, Prävention
Eine weitere Publikation der Ergebnisse ist in Vorbereitung und soll bei der Zeitschrift für Arbeitswissenschaft eingereicht werden.