abgeschlossen
Mit der zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Reform des Berufskrankheitenrechts (BK-Rechts) wurde die Individualprävention (IP) stärker in den Fokus zur Verhütung von Berufskrankheiten gerückt. Auch für den Bereich der Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) ist demnach von einem erhöhten Bedarf an geeigneten IP-Programmen auszugehen. Die seit Jahren von einigen Unfallversicherungsträgern (UVT) angebotenen IP-Programme für Rücken- und Kniegelenkserkrankungen sollten deshalb erweitert und Standardisierungsmöglichkeiten identifiziert werden.
Die GFK-Arbeitsgruppe "Stärkung der Individualprävention, insb. im BK-Bereich" der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV; GFK: Geschäftsführerinnen- und Geschäftsführerkonferenz der DGUV) hat das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) beauftragt, für diese Aufgabe eine trägerübergreifende Arbeitsgruppe zu koordinieren und eigene Inhalte einzubringen. Ziel war die Entwicklung einer Handlungsempfehlung mit einheitlichen Qualitätsstandards zur transparenten Darstellung der inhaltlichen Anforderungen an die anzubietenden IP-Programme. Hierzu zählte die Erstellung eines Angebot-Katalogs für Gremien der DGUV und ihrer Mitglieder als Hilfestellung bei der Organisation und Steuerung des IP-Geschehens. Zusätzlich sollte längerfristig eine Verbesserung des Zugangs über alle UVT und verschiedene Zielgruppen (BK-Verdacht, Frühintervention) zu den IP-Programmen erreicht werden.
Das IFA leitete dazu drei trägerübergreifende Arbeitsgruppen (AG "Rücken und Knie", AG "Hüfte", AG "Schulter"), in denen neben den Anbietern zuvor bestehender IP-MSE-Programme (BGW, BG BAU und BGN) auch die DGUV Abteilung VL, weitere interessierte UVT sowie Expertinnen und Experten der BG-Kliniken vertreten waren.
Die zu erstellende Handlungsempfehlung sollte ein standardisiertes, modular aufgebautes Gesamtkonzept eines qualitätsgesicherten IP-Programms für die Lokalisationen "unterer Rücken", "Knie", "Hüfte" und "Schulter" beschreiben. Zu diesem Zweck koordinierte das IFA die Entwicklung von Fact Sheets zur Beschreibung eines "Best-Practice"-Standards für die einzelnen Module und brachte eigene Inhalte, insbesondere zu den Themen "Ergonomie" und arbeitsmedizinische Vorsorge, ein. Folgende Module sollten erarbeitet werden: Befundung und Voruntersuchung, Feststellung Präventionsfähigkeit (Facharzt), Sporttherapie, Ergonomie (inklusive Berufsspezifisches Üben), Physiotherapie, Physikalische Therapie, Psychologisches Gesundheitstraining, Ernährungsberatung, UVT-Beratung, Assessments und Evaluation sowie mögliche Folgemaßnahmen (wie z. B. Refresher-Kurse).
Als weitere Themen der Handlungsempfehlung waren die Anforderungen an die Teilnehmenden, die Therapierenden und Dozierenden sowie die Infrastruktur der durchführenden Einrichtungen zu beschreiben und geeignete Evaluationskriterien bzw. Verlaufsparameter vorzuschlagen. Durch kontinuierlichen Austausch zwischen den drei beteiligten Arbeitsgruppen und mit dem parallel laufenden DGUV Forschungsprojekt FB 320 (Individualprävention bei arbeitsbezogenen Muskel-Skelett-Erkrankungen) wurde eine einheitliche Weiterentwicklung und Standardisierung über alle geplanten "IP-MSE-Programme" gewährleistet.
Die drei Arbeitsgruppen stimmten ihre Ergebnisse untereinander ab und führten diese in einer gemeinsamen "Handlungsempfehlung zur Individualprävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen (IP-MSE)" zusammen. Das Konzeptpapier umfasst insgesamt vier Kapitel. Das Kapitel "Individualprävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen" führt in die Thematik ein und stellt die vor dem Projektstart bestehenden UVT-IP-Programme zu Rücken- und Kniegelenkserkrankungen vergleichend dar, inklusive der bestehenden Zugangsvoraussetzungen und Zugangswege. Als Ziele der Neuentwicklung werden der Ausbau des Angebots hinsichtlich weiterer Lokalisationen (Schulter- und Hüftgelenke), der Zielgruppen (Berufskrankheiten und Frühintervention) sowie empfohlener Qualitätsstandards beschrieben.
Das Kapitel "Medizinische Befunde und Voruntersuchung" beschreibt Parameter für eine medizinische Voruntersuchung, die als Ausgangspunkt für die im Rahmen der IP-Maßnahme durchzuführenden Evaluationsmaßnahmen darstellen können. Dabei wird differenziert zwischen der Eigenanamnese der versicherten Person (Belastungen, Beschwerden, Schmerzen), der ärztlichen Anamnese (Beschwerden, Arbeitsfähigkeit, Schmerzen, Belastungen) und der ärztlichen Untersuchung von aktiven Funktionsauffälligkeiten sowie zur gezielten Ermittlung von lokalisationsspezifischen, funktionellen Defiziten.
Das Kapitel "Grundbausteine" stellt das Herzstück der Handlungsempfehlung dar. Die Grundbausteine sind als Qualitätsstandards zu verstehen, die sich an den bewährten IP-Programmen orientieren und in der Handlungsempfehlung erweitert wurden. Teilweise gelten diese für alle IP-MSE-Maßnahmen einheitlich, teilweise sind diese je nach Gelenk unterschiedlich zu gestalten – und ggf. auch mit berufs- oder branchenspezifischen Besonderheiten umzusetzen. Insgesamt umfasst die Handlungsempfehlung folgende Grundbausteine: Feststellung der Präventionsfähigkeit (Facharzt), Sporttherapie, Ergonomie, Physiotherapie, Physikalische Therapie, Psychologisches Gesundheitstraining, Ernährungsberatung, Assessment und Evaluation, Sicherung der Nachhaltigkeit sowie Beratung der UV-Träger.
Im letzten Kapitel formuliert die Arbeitsgruppe konkrete "Empfehlungen zur Umsetzung und zukünftigen Entwicklung der IP-MSE-Programme" in der Praxis und die dabei zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen.
Nach Abschluss der Arbeiten konnte das Konzeptpapier Ende 2022 wie geplant dem Initiator (GFK-BK-Ausschuss) vorgestellt werden und wurde von diesem als sehr gute Entscheidungsgrundlage für weitere Gremien und zukünftige Entwicklungen im Bereich "IP-MSE-Programme" angenommen.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Erkrankungen
Schlagworte:Muskel-Skelett-Erkrankungen (außer Krebserkrankungen), Berufskrankheit
Weitere Schlagworte zum Projekt:Individualprävention; Muskel-Skelett-Erkrankungen; Berufskrankheiten; Frühintervention