abgeschlossen 12/2015
Ziel des Forschungsvorhabens war es, zu überprüfen, ob und inwieweit regionale Unterschiede im betrieblichen Unfallgeschehen vorliegen. Hier waren die möglichen Ursachen für diese Unterschiede zu ermitteln und auf dieser Basis Vorschläge für präventive Maßnahmen abzuleiten. Die Ursachenanalyse konzentrierte sich deshalb vor allem auf Merkmale, die prinzipiell veränderbar sind. Die Ursachenanalyse, die Bewertung der erhobenen Daten und die Gestaltung bzw. Ableitung von präventiven Maßnahmen bildeten somit eine Einheit. Ausgangslage war, dass es zwischen den Bundesländern sowohl bezüglich der Arbeitsunfälle als auch der neuen Unfallrenten gravierende Unterschiede gibt: So hat Mecklenburg-Vorpommern mit 38,86 Arbeitsunfällen auf 1.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 1,5 mal so viele Arbeitsunfälle wie Hamburg mit 25,41 Arbeitsunfällen auf 1.000 Pflichtversicherte. Die Datenlage, auf der diese Beobachtungen beruhten, stellte sich allerdings als wenig belastbar heraus. Das Projekt "Arbeitsunfälle Betriebe" soll die aufgezeigten Lücken in der Datenlage schließen und die bereits bekannten Indikatoren bei der Erklärung von regionalen Unterschieden im Unfallgeschehen innerhalb Deutschlands erklären.
Eine detaillierte Analyse der Ursachen regionaler Unterschiede im Unfallgeschehen erforderte ein mehrstufiges Vorgehen sowie die Berücksichtigung unterschiedlicher Informationsquellen. Es kamen hier vier Informationsquellen infrage, die berücksichtigt wurden: • Sachbearbeiter auf Seiten der Regionaldirektionen und Bezirksverwaltungen • Meldeverantwortliche auf Seiten der Unternehmen • Daten der DGUV, BG BAU, BGHM sowie der Unfallkasse NRW • Öffentlich zugängliche Statistiken
Die DGUV-Statistik wurde in Beziehung zu regionalen Raumordnungsdaten gesetzt, die die Hypothese bestätigt hat, dass regionale Zusammenhänge von Arbeitsunfallquoten mit Branche, Betriebsgrößenklasse, atypischer Beschäftigung sowie mit sozioökonomischem Status korrelieren. Die Branchenabhängigkeit regionaler Arbeitsunfallquoten bestätigte sich auch unter Verwendung der Raumordnungsdaten. Aus der durchgeführten Onlinebefragung in Mitgliedsbetrieben der UVT konnten Zusammenhänge für die Ableitung von Präventionsempfehlungen identifiziert werden. Hinsichtlich der arbeitsgestalterischen Bedingungen der Arbeitsplätze ergab sich folgendes Bild: Je komplexer und verantwortungsvoller (anforderungsreich) Aufgaben gestellt werden, desto mehr Unfälle sind aufgetreten. Je mehr einfache und routinierte Aufgaben gestellt wurden, desto mehr Unfälle waren zu verzeichnen. Je mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume eingeräumt wurden, desto weniger Unfälle traten auf. Je mehr Absprachen für die Erledigung von Arbeitsaufgaben erforderlich waren, desto mehr Arbeitsunfälle wurden verzeichnet. Gleiches gilt für Regulationsbehinderungen an einem Arbeitsplatz: Je häufiger diese auftraten, desto höher die Unfallquote. Arbeitsplätze mit geringem Arbeitsunfallrisiko lassen sich daher durch folgendes Merkmalsprofil hinsichtlich der Arbeitsgestaltung charakterisieren: Die Aufgaben sind vollständig und vielfältig, sie bieten viele Handlungsspielräume, die Abhängigkeiten von Kollegen ist gering und – als bedeutsamster Zusammenhang – weisen möglichst wenige Regulationsbehinderungen auf. Aus den Interviews mit Vorgesetzten und Beschäftigten in den Erfassungsstellen der Unfallversicherungsträger konnte bestätigt werden, dass das Vorgehen beim Kodieren und Speichern von Details der Arbeitsunfälle einheitlich und standardisiert ist. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Arbeitsunfallstatistiken nicht aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen in verschiedenen Erfassungsstellen beeinflusst wird. Jedoch gibt es unterschiedliche Rahmenbedingungen, die die Erfassung von Details zu Arbeitsunfällen erschweren: Zum Teil schlechte Qualität der handschriftlichen oder eingescannten Dokumente, fehlende Informationen in den Dokumenten, Hitze und Lärm am Arbeitsplatz, technische Ausfälle, einseitige physische Belastung durch Bildschirmarbeit etc. Es bedürfte hierzu weiterer Untersuchungen, um solche Effekte im Detail aufzuklären. Auf Grundlage der erhaltenen Befunde lassen sich eine Reihe von Präventionsempfehlungen aussprechen, die sich auf folgende Aspekte beziehen: Umschriebene Personengruppen, Arbeitsgestaltung, Betriebsgröße, Branche, externe Arbeit, Regionen sowie Meldewege/Meldeverhalten/Sachbearbeitung. Für Betriebe beliebiger Größe sollte immer auf die Beseitigung von Störungen und Unterbrechungen in der Arbeit (Regulationsbehinderungen) sowie die Stärkung einer partizipativen Sicherheitskultur abgezielt werden. Kleine und mittlere Unternehmen sollten in besonderem Maße beim Aufbau geeigneter Strukturen und Prozesse zum Umgang mit Arbeitsunfällen unterstützt werden. Große Unternehmen sollten hingegen verstärkt hinsichtlich der Arbeitsgestaltung beraten werden, d.h. Arbeitsanforderungen sollten auf einem angemessenen Niveau liegen. Dies gilt auch für Abhängigkeiten und Absprachen unter den Kollegen bei der Bewältigung der Aufgaben. Tätigkeitsspielräume sollten erweitert werden. Die Arbeitsgestaltung wirkt mittelbar über die Betriebsgröße sowie die Branchen auf das regionale Unfallgeschehen ein. Insbesondere die Branche gibt Rahmenbedingungen vor, die bei der Gestaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen berücksichtigt werden müssen. Die einzelnen Unfallversicherungsträger können ihre Präventionsmaßnahmen also an die vorherrschenden Branchen anpassen, denen ihre Mitgliedsbetriebe angehören.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Gefährdungsübergreifende Fragestellungen, ungünstige Arbeitsumgebung, -Verschiedenes-
Schlagworte:Arbeitsunfall, Arbeitsumwelt (Belastungen, Gefährdungen, Expositionen, Risiken), Unfallursachen
Weitere Schlagworte zum Projekt:Analyse von Einflussgrößen auf das schulische Unfallgeschehen unter Berücksichtigung regionaler Faktoren. Analyse des Nord-Süd-Gefälles, welches das Unfallgeschehen bei vergleichbaren Betrieben aufweist.