MEGAPHYS - Entwicklung eines Methodenpakets zur Gefährdungsanalyse bei physischen Belastungen – Gemeinschaftsvorhaben von BAuA und DGUV

Projekt-Nr. FF-FP 0358

Status:

abgeschlossen 08/2018

Zielsetzung:

  • Entwicklung eines umfassenden Methodeninventars im Rahmen des gemeinsamen Forschungsvorhabens zur Durchführung betrieblicher Gefährdungsbeurteilungen
  • Verbesserung des Analysespektrums bzgl. der erfassten Belastungsarten
  • Beschreibung und Erweiterung des Erkenntnisstandes zum Zusammenhang zwischen Belastungen, Überlastungen, Beschwerden und Erkrankungen der vorrangig betroffenen Lokalisationen

Aktivitäten/Methoden:

Teilprojekt IfADo:

Ein erster Themenschwerpunkt des IfADo betrifft die Dokumentation von Methoden zur Erfassung, Bewertung und Beurteilung von physischen Belastungen, die vorrangig auf Wirbelsäulenbelastungen fokussieren. Hierzu wurden 25 Verfahren oder Studien anhand von zehn Merkmalen charakterisiert.

Als weiteres Teilziel in MEGAPHYS war formuliert, die Instrumente "CUELA" des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und "Der Dortmunder" des IfADo zur Nutzung der jeweiligen Vorteile – Ortsungebundenheit und Arbeitsplatznähe bzw. detaillierte Lumbalbelastungsbestimmung – zu verbinden. Dazu wurden die im "Dortmunder" implementierten Modellierungen von Skelett, Rumpfmuskulatur sowie Bauchraum-Innendruck-Wirkung in "CUELA" adaptiert. Mit dem gekoppelten System "CUELA-Dortmunder" wurden lumbosakrale Bandscheiben-Druckkräfte insbesondere in den Feldmessungen bestimmt. Zudem wurde die Datenbasis der Dortmunder Richtwerte aktualisiert, die – auf Basis von Druckfestigkeitsmessungen an isolierten Wirbelsäulensegmenten – als Maß empfohlener Maximalbelastungen des unteren Rückens bei einzelnen Vorgängen bis hin zu Arbeitsschichten formuliert wurden; daraus wurden die revidierten Dortmunder Richtwerte abgeleitet. Ein weiterer Schwerpunkt des IfADo-Teilvorhabens zielt auf die biomechanische Evaluierung etablierter Screeningverfahren wie die Leitmerkmalmethoden (LMM) der BAuA sowie des Ergonomic Assessment Worksheet (EAWS) des Instituts für Arbeitswissenschaft der TU Darmstadt (IAD) hinsichtlich lumbaler Überlastungen. Auf Basis von Körperhaltungsnachstellungen im Labor und nachfolgenden biomechanischen Modellrechnungen mit dem Dortmunder wurde bei allen untersuchten sieben Werkzeugen eine klar erkennbare Entsprechung der Wichtungen von Körperhaltung und Lastmasse bzw. der ausgeübten Aktionskräfte einerseits sowie der erhobenen Reaktionskräfte an der Lendenwirbelsäule andererseits gefunden; dennoch werden auch Wichtungsanpassungen angeregt.

Geeignete Kriterien für die Protokollierung von Messungen und die Bewertung von Belastungen an verschiedenen Lokalisationen wurden federführend vom IFA definiert. Mögliche Vorgehensweisen zur Beschreibung und Bewertung der situativen und kumulativen Belastung des unteren Rückens einschließlich des Umgangs mit der "Unschärfe von Richtwerten" wurden vom IfADo spezifiziert.

Zur Erhöhung der allgemeinen Verfügbarkeit von Untersuchungsergebnissen zur Wirbelsäulenbelastung sollte die Erstellung einer Art Lumbalbelastungsatlas weitergeführt werden. Mit Bezug auf branchentypische Tätigkeiten wie Patiententransfer wurden neun vormalige, z. T. umfangreiche Studien hinsichtlich Methodik und wesentlicher Ergebnisse beschrieben. Bezüglich branchenübergreifend auftretender Lastenhandhabungen wie Heben oder Schieben wurden etwa 900 vorgangsspezifische Modellrechnungen bei Variation der Tätigkeitsbedingungen durchgeführt und das vorliegende Datenspektrum mehr als vervierfacht, was Belastungsschätzungen zukünftig vereinfacht.

Teilprojekt IAD:

In einem ersten Schritt wurden vorhandene Experten-Screenings für einzelne Belastungsarten (Körperhaltung und -bewegung (Kh), Aktionskräfte (AK), Manuelle Lasthandhabung (HvL), Repetitive Belastungen der oberen Extremitäten (rep.)) um spezifische Belastungskriterien erweitert (Stufe 2). Es handelt sich dabei um die Kriterien Körperbewegung, Arbeitsorganisation und -dichteverteilung sowie die Ausführungsbedingungen bei den Tätigkeiten. Neben einer Einzelbewertung jeder Belastungskategorie ist es außerdem möglich, eine Gesamtbewertung über alle Kategorien durchzuführen. Die relevante Punktzahl ist das Maximum aus Ganzkörperbelastung (Kh + AK + HvL) und repetitiven Belastungen der oberen Extremitäten (rep.). Weiterhin wurde für die Belastungsarten Manuelle Lasthandhabung (HvL) und Aktionskräfte (AK) eine Bewertung (Stufe 3) von heterogenen Last- bzw. Kraftfällen ergänzt und in rechnergestützte Tools umgesetzt ("Megaphys-MonKras", "Megaphys-MultipLa").

Für die Beschreibung der zeitlichen Abfolge von Belastungsabschnitten wurde eine Erfassungsmethode ("Belastungsmatrix") entwickelt (Stufe 4). Eine Belastungsbewertung findet auf dieser Stufe nicht statt und ist für eine Weiterentwicklung vorgesehen.

Neu eingeführt wurde eine körpersegmentbezogene Bewertung (Stufe 5). Mit dieser Methode können die Belastungen nicht nur zeit-, sondern auch körpersegmentbezogen bewertet werden. Dieser segmentbezogene Ansatz wurde in exemplarischer Weise zur Bewertung der Belastungskategorie "Körperhaltung und -bewegung" (Kh) erprobt und stellt in der weiteren Entwicklung eine Schnittstelle zu den Ergebnissen der messtechnischen Analyse (z. B. CUELA) dar.

Ergebnisse:

Teilprojekt IfADo:

Die Themenschwerpunkte wurden – mit Ausnahme der Einbindung in Feldmessungen – umfassend und zielentsprechend bearbeitet. Bezüglich der lumbal-biomechanischen Evaluation von Screening-Werkzeugen wurden nicht nur etablierte, sondern auch neu-entwickelte Verfahren analysiert, zudem wurden zusätzliche Belastungskenngrößen wie Bandscheiben-Scherkräfte in die Analyse einbezogen. Als besonderes Ergebnis wird weiterhin die Konkretisierung der revidierten Dortmunder Richtwerte angeführt, die die Bewertung von Lumbalbelastungen auf einer gesicherteren Datenbasis ermöglichen.

Teilprojekt IAD:

Ergebnisse des Experten-Screenings (summarisch) wurden hinsichtlich der Konvergenz mit den subjektiven Bewertungsdaten aus Fragebögen nach Corlett-Bishop (N = 160 Personen) und Borg-RPE-Skala (N = 135 Personen) analysiert. Die summarische Bewertung des Experten-Screenings (kategorial - Risikokategorien 1 - 4) korreliert signifikant mit der subjektiven Einschätzung der Beanspruchung nach Borg-Skala, sowohl für Männer (rs, Männer = 0,245; p = 0,029) als auch für Frauen (rs, Frauen = 0,249; p = 0,027). Für die subjektive Einschätzung nach Corlett-Bishop konnte keine signifikante Korrelation festgestellt werden. Die Kriteriumsvalidität des Experten-Screenings wurde anhand der Übereinstimmung der Bewertung (für einzelne Belastungsarten und summarische Belastung) mit den epidemiologischen Daten (z. B. Jahres-, Wochenprävalenz, subjektive Einschätzung nach Borg-RPE, lumbale Erkrankungen) überprüft und diskutiert.

Umsetzung für die Praxis: Heterogene Belastungssituationen, welche typisch für die Praxis sind, können mit den Experten-Screening-Verfahren (Stufe 2), insbesondere auch mit den rechnergestützten Tools (Stufe 3) gut analysiert werden. Aussichtsreich ist die Verknüpfung von Experten-Screening für die körpersegmentbezogene Bewertung (Stufe 5) mit Messverfahren (z. B. CUELA). Hier ist eine erfolgsversprechende zukünftige Entwicklung möglich, da immer mehr gute Sensoren zum Einsatz in der Praxis kommen. In diesem Zusammenhang bietet sich an bei entsprechenden Messdaten, die auf eine erhöhte Belastung hinweisen, zunächst eine körpersegment bezogene Bewertung mit Experten-Screenings am Arbeitsplatz vorzunehmen, um den Handlungsbedarf zu prüfen und falls Bedarf besteht, durch eine anschließende Analyse der Bewertungsergebnisse konkrete Hinweise für Gestaltungsmöglichkeiten abzuleiten.

Stand:

20.11.2020

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund
  • IAD - TU Darmstadt, Institut für Arbeitswissenschaft
  • BAuA, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Berlin
  • ArbMedErgo Arbeitsmedizin und Ergonomie Hamburg
  • ASER, Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie, Wuppertal
  • IFA - Institut für Arbeitsschutz der DGUV
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Handhabung von Lasten

Schlagworte:

Physische Beanspruchung/Belastung, Prävention, Risikoabschätzung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Gefährdungsanalyse, physische Belastungen, Megaphys

Weitere Informationen

Projekt IFA4201: MEGAPHYS Mehrstufige Gefährdungsanalyse physischer Belastungen am Arbeitsplatz

Abschlussbericht Band 1 ()

Abschlussbericht Band 2

Methoden des Experten-Screenings ()