Abgrenzung und Differenzierung "irritativer" und "belästigender" Effekte von Gefahrstoffen

Projekt-Nr. FF-FP 0267

Status:

abgeschlossen 11/2010

Zielsetzung:

1) Bereitstellung substanzbezogene Basis- und Effektdaten lokaler Reizstoffe
2) Prävention kognitiver Effekte als Folge der chemosensorischen Reizstoffwahrnehmung

Aktivitäten/Methoden:

1) Im Verlauf von drei Jahren wurden fünf experimentelle Expositionsstudien mit den Arbeitsstoffen Acetaldehyd, Ethylacrylat, Schwefelwasserstoff, Methylmethacrylat und 2-Ethylhexanol durchgeführt. Weiter wurden in zwei psychophysischen Experimenten (a) alternative Techniken zur Bestimmung von Geruchs- und Reizschwellen bei leichtflüchtigen Arbeitsstoffen entwickelt und (b) verschiedene physiologische Readouts (Atemparameter, elektrische Hautleitfähigkeit (EDA)) zur Objektivierung von Reiz- und Geruchswirkungen in olfaktometrischen Screeningexperimenten erprobt.

2) Um gruppenbezogene Unterschiede in den Dosis-Wirkungs-Beziehungen für verschiedene Reizstoffe zu untersuchen, wurden in den Experimenten mit Methylmethacrylat (MMA) und 2-Ethylhexanol (2-EH) die Modulatoren Alter und Geruchsfunktion systematisch variiert.

Ergebnisse:

1) Beim Reizstoff Acetaldehyd zeigte das Experiment keine adversen Effekte bis zum aktuellen MAK-Wert von 50 ppm. Aus dem Studiendesign (fünf Bedingungen, drei Stunden Nachbeobachtungszeitraum) können jedoch NOAEC (No Observed Adverse Effect Concentration) oder LOAEC (Lowest Observed Adverse Effect Concentration) humanstudienbasiert abgeleitet und mit einem Benchmarkdose-Ansatz die Dosis-Wirkungs-Beziehung modelliert und extrapoliert werden. Das Experiment mit Ethylacrylat ergab konvergente Hinweise aus den untersuchten Effektebenen (Erleben, Verhalten, Physiologie) auf adverse Wirkungen im Bereich des aktuellen MAK-Wertes. Dabei hatten die Expositionsspitzen mit ihren lokalen Schwankungen der effektiven Dosis am Zielorgan (chemosensorische Rezeptoren in der Nase/ am Auge) eine deutlich effektverstärkende Wirkung sowohl auf die subjektive Wahrnehmung des Reizstoffes wie auch auf den physiologischen Marker der Lidschlussfrequenz. Diese Ergebnisse bestätigten die Vermutung aus den Screeningergebnissen der statischen Olfaktometrie, dass Ethylacrylat ein hohes Potenzial für sensorische Irritation besitzt. An diesem Experiment konnte exemplarisch die Validität der Gesamtstrategie des Forschungsprojektes dokumentiert werden.

2) Während MMA bei Expositionen im Bereich des MAK-Wertes nur schwache, physiologisch nicht messbare Effekte auslöste, war bei 2-EH-Expositionen von 20 ppm die Lidschlussfrequenz signifikant erhöht. Dieser konzentrationsabhängige Reizeffekt wurde nicht durch das Alter der Probanden verstärkt oder abgeschwächt. Eine Generalisierung dieses Befundes ist momentan nur eingeschränkt möglich und das Ergebnis sollte in weiteren Studien überprüft werden. Die Studie zu Schwefelwasserstoff (H2S) lieferte nicht die erhofften Erkenntnisse zu Ablenkungen auf sekundärer Ebene - für den UA III des AGS waren jedoch die Resultate sehr wichtig, um den AGW für H2S festlegen zu können.

Fazit: Die neu- und weiterentwickelten Screeningverfahren sind prinzipiell in der Lage, wesentliche Basisinformationen für den überwiegenden Teil der lokalen Reizstoffe zu liefern; die Kosten-Nutzen-Relation ist jedoch teilweise ungünstig. Die einfache und kostengünstige Technik der "Riechflaschen" ist für viele Reizstoffe ausreichend, um qualitätsgesichert Geruchs- und Irritationsschwellen zu bestimmen. Nur bei Arbeitsstoffen mit (a) niedrigen oder (b) hohen Siedepunkten sollte von Fall zu Fall entschieden werden, ob die neu entwickelte Technik mit gasdichten Tedlar®-Beuteln eher geeignet ist, die chemosensorischen Schwellen zu messen. Die untersuchten Parameter der Atmung und der EDA konnten bei der Modellsubstanz Mercaptoethanol valide konzentrationsabhängige Veränderungen nachweisen. Diese Biosignale sind jedoch anfällig für Artefakte, sodass dieses Screening personal- und zeitintensiv bei Durchführung und Auswertung ist. Nur eine optimale apparative Ausstattung kann diesen Aufwand reduzieren und dazu führen, dass ein Screening mit diesen Effektmarkern sinnvoll ist, um Frühindikatoren gesundheitsrelevanter Effekte konzentrationsabhängig zu messen. Das Forschungsprojekt unterstreicht erneut, dass die Methode der experimentellen Expositionen als "Goldstandard" zur Untersuchung chemosensorischer Effekt im Humanbereich zu bezeichnen ist. Nur mit diesem realitätsnahen Paradigma können Geruchs- und Reizeffekte differenziert erfasst, qualitativ bewertet und Dosis-Wirkungs-Beziehungen quantifiziert werden.

Stand:

06.04.2011

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)
  • IfADo Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Gefahrstoffe

Schlagworte:

Grenzwert, Prävention, Analyseverfahren

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Chemosensorik, Reizstoffe, Olfaktometrie