Coworking Spaces – ein alternativer mobiler Arbeitsort?

Laut dem Bundesverband Co-Working Spaces Deutschland (BVCS) steigt die Nutzung dieses alternativen Büroarbeitsortes überproportional an. Der Artikel informiert über mobile Arbeitsorte wie Coworking Spaces sowie ihre sichere und gesunde Gestaltung und zeigt auf, welche offenen Fragen für die Prävention sich daraus ergeben.

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat dazu geführt, dass mobile Arbeit in ihrer Verbreitung sehr stark zugenommen hat. Unternehmen waren gezwungen im Zuge des Infektionsschutzes ihre Belegschaft in Büroräumen möglichst auf ein Minimum zu reduzieren und viele Beschäftigte ins Homeoffice zu schicken. Ressentiments in Bezug auf die Flexibilisierung von Arbeitsorten wurden durch die gesammelten Erfahrungen im letzten Jahr durch dieses „Zwangsexperiment“ in großen Teilen abgebaut. Mit anderen Worten: Arbeiten außerhalb des festen Büros im Unternehmen ist salonfähig geworden. Sehr viele Unternehmen bekunden schon jetzt, dass sie in der Zukunft mobile Arbeit stark ausweiten wollen (vgl. zum Beispiel Hofmann et al., 2020).

In der aktuellen Diskussion wird vor allem Homeoffice als Alternative zum klassischen Büro in den Blick genommen. Es wird angenommen, dass Beschäftigte, die nicht mehr ausschließlich im Büro tätig sind, vorrangig auf den heimischen Arbeitsplatz umsteigen. Dabei wird vernachlässigt, dass es noch weitere mobile Arbeitsorte für im Büro arbeitende Menschen gibt (vgl. Abbildung 1). Ein solch möglicher neuer Arbeitsort ist das Coworking Space (CWS).

Coworking Spaces können im weitesten Sinne als Orte beschrieben werden, an denen Menschen zusammenkommen, um gemeinsam zu arbeiten. Es handelt sich um gemeinschaftlich genutzte, institutionalisierte Orte für flexibles Arbeiten. Die Betreibenden von Coworking Spaces ermöglichen eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Anmietung von Büroarbeitsplätzen. Dies ist nicht mehr nur für Selbstständige interessant, sondern zieht auch immer mehr andere Nutzungsgruppen an – von Start-ups bis zu Großunternehmen. Bereits vor der SARS-CoV-2-Pandemie konnten Coworking Spaces einen deutlichen Zulauf verzeichnen. Innerhalb der vergangenen 24 Monate hat sich deren Anzahl vervierfacht, wie eine aktuelle Markterhebung des BVCS vom Mai 2020 nahelegt (vgl. BVCS, 2021). Es ist anzunehmen, dass noch mehr Unternehmen Coworking Spaces – auch als Alternative zum Homeoffice – für ihre Beschäftigten als Arbeitsorte zulassen und anbieten werden.

Coworking Arbeit befreit eben nicht davon, Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen und und in der Anwendung von Schutzmaßnahmen gegen arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu unterweisen.

Einordnung von Coworking Spaces

Zunächst sollte man bei mobiler Arbeit zwischen den klassischen Tätigkeiten, die nur mobil ausgeführt werden können, wie zum Beispiel in den Bereichen mobile Servicetechnik oder Versicherungsvermittlung im Außendienst, und der zunehmenden mobilen Büroarbeit unterscheiden. Die wichtigsten Formen mobiler Arbeit sollen im Weiteren vorgestellt werden (vgl. Abbildung 1):

Abbildung 1: Einordnung von Coworking Spaces in Büroarbeitsformen | © VBG
Abbildung 1: Einordnung von Coworking Spaces in Büroarbeitsformen ©VBG

Telearbeit als regelmäßige Arbeit am Bildschirm zu Hause fällt nicht in den Bereich der mobilen Arbeit. Bei Telearbeit gilt die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), denn  Beschäftigte arbeiten an einem Arbeitsplatz in ihrem häuslichen Umfeld, der vertraglich mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin festgelegt wurde.

Mobile Arbeit unterliegt generell nicht der Arbeitsstättenverordnung, denn die Arbeit erfolgt ohne Bindung an einen fest eingerichteten Arbeitsplatz außerhalb des Betriebs. Sie kann nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin der Definition nach von überall her erbracht werden.

Homeoffice wird als eine Form des mobilen Arbeitens eingeordnet. Hier wird es Beschäftigten ermöglicht, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin zeitweilig im Privatbereich tätig zu sein. Bei dem Begriff des „Homeoffice“ handelt es sich bisher nur um einen im Pandemiefall definierten Rechtsbegriff (siehe SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel der Bundesregierung). Sonst wird der Begriff vorrangig umgangssprachlich genutzt. In erster Linie wird darunter das Ausüben beruflicher Tätigkeiten im Privatbereich der Beschäftigten verstanden. Dies kann sowohl einzelne Stunden des Arbeitstages umfassen als auch ganze Arbeitstage. Der oder die Beschäftigte ist also im eigentlichen Wortsinn gar nicht mobil.

Und hier kommen weitere Arbeitsorte des mobilen Arbeitens ins Spiel. Es gibt vielfältige Gründe für Unternehmen, über weitere Arbeitsorte und speziell das Coworking Space als Angebot für ihre Beschäftigten nachzudenken. Denn Homeoffice als Alternative zum Büro ist nicht in jeder Situation und für jede Person gleich gut geeignet. Neben allen anderen möglichen Arbeitsorten, an denen Büroarbeit mobil verrichtet werden kann, zum Beispiel auf Reisen in Business Hotels, Offices an Bahnhöfen, am Flughafen oder in der Bahn, entsteht aktuell eine Nachfrage nach flexiblen, aber auch professionellen Lösungen, wie sie Coworking Spaces bieten können.

Coworking Spaces stellen ihren Mieterinnen und Mietern neben Arbeitsplätzen und -räumen auch eine Büroinfrastruktur (stabile und leistungsstarke Internetverbindungen, Drucker, Besprechungsräume, Sanitäreinrichtungen, Küchen, Gemeinschaftsräume und -angebote wie zum Beispiel Lounges, Kickertische) zur Verfügung und – als zentrales Unterscheidungsmerkmal zu anderen Formen mobiler Arbeit – auch ein soziales Netzwerk. So sind offene Arbeits- und Kommunikationsbereiche, die Kommunikation, Kollaboration und Wissensaustausch unter den Nutzenden fördern, beliebte Gestaltungsmerkmale von Coworking Spaces.

Eventuelle Nachteile im Homeoffice  – wie soziale Isolation, mangelnde Austauschmöglichkeiten oder auch schlechte räumliche Rahmenbedingungen – können durch die Anmietung eines Arbeitsplatzes im Coworking Space ausgeglichen werden. Für Beschäftigte wird ein Coworking Space zusätzlich durch einen günstigen Standort attraktiv, wenn zum Beispiel lange Pendelzeiten ins Büro wegfallen oder reduziert werden können.

Coworking Spaces können sowohl als Regelarbeitsplatz wie auch als kurzfristige Arbeitsplatzlösung genutzt werden. Flexibilität ist dabei ein zentrales Merkmal: Flexible Arbeitsplatzbuchungen und kurzfristige Kündigungsmöglichkeiten sind Kerncharakteristika der Coworking Spaces. So wie verschiedene Varianten und Philosophien der Coworking Arbeit existieren, treffen auch sehr unterschiedliche Haltungen aufeinander, zum Beispiel zu Arbeitsstandards,  sozialen Netzwerken oder zur Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen.

Die Spannweite der Coworking Nutzenden reicht von „outgesourcten“ Beschäftigten bis hin zu Soloselbstständigen, die ab und an neue Inspiration und soziale Arbeitskontakte suchen. Die verschiedenen Nutzungsszenarien können sich dabei sehr unterscheiden. Ein Beispiel wäre der abhängig Beschäftigte, der die Möglichkeit von seinem Arbeitgeber erhält, sich nun regionaler, mit kürzerem Arbeitsweg und unter Einsparung von Büro- und Besprechungsflächen im Unternehmen in ein Coworking Space einzumieten, um seine Arbeit – ungestört von der familiären Situation – zu verrichten. Eine Selbstständige sucht sich als „digitale Nomadin“ beispielsweise ihren „Place to Work“ nach Design, technischer Infrastruktur, Budget und sozialen Austauschmöglichkeiten aus. Entsprechend divers sind die Coworking Places gestaltet: vom bunten Wohnzimmer-Charakter über die improvisierte Scheune auf dem Land bis hin zum „durchdesignten“ Großraumbüro.

Daher werden Business Center oft mit Coworking Spaces im gleichen Atemzug genannt und tatsächlich werden die Unterscheidungsmerkmale immer kleiner. Business Center vermieten eingerichtete Büroarbeitsplätze in Privatbüros (üblicherweise Zellenbüros für einen oder mehrere Arbeitsplätze) für kurze oder längere Zeit sowie optional weitere Dienstleistungen und Infrastruktur. Im Gegensatz zu Coworking Spaces wird hier aber klassischerweise kein Fokus auf Community und Kollaboration gelegt. Aber auch dies ändert sich zunehmend. Viele Anbieter mischen aktuell beide Konzepte und bieten sowohl Coworking Flächen als auch Privatbüros an. Diesen Trend verfolgen insbesondere die großen, internationalen Anbieter von Coworking Spaces.

Es wird ersichtlich, dass sich – ausgehend von der klassischen Büroarbeit – mit zunehmender Flexibilisierung immer weniger Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin auf die sichere und gesunde Arbeitsplatzgestaltung im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) ergeben.

Insgesamt bringen verantwortlich gestaltete Coworking Spaces große Chancen mit sich, die Lernfähigkeit, Produktivität und Gesundheit der Arbeitenden zu fördern.

Verantwortlichkeiten für den Arbeitsschutz

Am klassischen Büroarbeitsplatz ist klar, dass der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin sowohl die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsplatzausstattung gesundheitsgerecht gestalten als auch die Einhaltung der Regeln im Arbeitsschutz überwachen muss. Unklare Verantwortlichkeiten für bauliche Merkmale, zum Beispiel Luftreinigungssysteme oder Notausgänge, entstehen allenfalls bei gemieteten Räumlichkeiten zwischen Arbeitgeber beziehungsweise Arbeitgeberin und Vermieter beziehungsweise Vermieterin. Doch hierzu existiert eine umfassende Rechtsprechung. Beschäftigte bleiben davon in der Regel unberührt.

Bei der Gestaltung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in Coworking Spaces treffen jedoch häufig zwei –  für die Prävention herausfordernde – Konstellationen aufeinander:

  1. Soloselbstständige und freiberuflich tätige Personen mit teilweise unklaren Beschäftigungsverhältnissen (Stichwort: „Scheinselbstständigkeit“) und
  2. abhängig Beschäftigte, die ihre Bürotätigkeiten regelmäßig am sogenannten „dritten Ort“ (in diesem Fall dem Coworking Spaces) ausführen

Grundsätzlich bleibt der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin im Fall b) und im Fall a), bei festgestellter „Scheinselbstständigkeit“, in der Gestaltungs- und Überprüfungsverantwortung (§ 3 ArbSchG). Je nach Konstellation benötigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber jedoch unterschiedliche Präventionskonzepte, um die positiven Effekte der flexiblen Büroarbeitsorte auch ausschöpfen und trotzdem ihrer Verantwortung zur sicheren und gesunden Arbeitsgestaltung gerecht werden zu können.

Es wird ersichtlich, dass sich –  ausgehend von der klassischen Büroarbeit –  mit zunehmender Flexibilisierung immer weniger Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin auf die sichere und gesunde Arbeitsplatzgestaltung im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsstättenverordnung ergeben.

Das dauerhafte Arbeiten im Homeoffice kann beispielsweise gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Bewegungsmangel, Vereinsamung (fachliche und menschliche) und fehlende oder konflikthafte Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben hervorrufen. Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher Probleme durch ungenügend gestaltete Arbeitsmittel wie Stühle, Bildschirme oder Arbeitstische. Die Arbeit im klassischen Bürogebäude kann Stress durch lange Arbeitswege, fehlende Rückzugsräume (beispielsweise in Großraumbüros) oder andere bürobedingte Belastungen begünstigen. Gut gestaltete und gelegene Coworking Spaces könnten diese Nachteile in Zukunft aufwiegen und dadurch noch mehr an Attraktivität gewinnen – unter der Voraussetzung, dass die folgenden Themen präventiv bearbeitet werden:

  • Zwar lassen sich sichere und gesunde räumliche Gegebenheiten und die technische Ausstattung der Arbeitsplätze in Coworking Spaces durch Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in ihrer Funktion als Mieter und Aufsichtsbehörden einfacher beeinflussen und überwachen als im Homeoffice oder „Café-Arbeitsplatz“. Die Verantwortungssituation für eventuell notwendige bauliche Maßnahmen oder Ausstattungsmerkmale der Arbeitsplätze bleibt jedoch im Detail und in der praktischen Ausführung ähnlich komplex und unklar wie auf Baustellen, wo die Arbeit vieler Unternehmen koordiniert werden muss. Dies betrifft beispielsweise Fragen des Brandschutzes, der Ergonomie der Arbeitsmittel und der gemeinsam genutzten Flucht- und Rettungswege. Coworking Arbeit befreit eben nicht davon, Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen und und in der Anwendung von Schutzmaßnahmen gegen arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu unterweisen.
  • Zwar kann der zunehmenden Entgrenzung der Arbeitszeiten und Erreichbarkeiten durch „Öffnungszeiten“ und den „abgrenzenden“ Arbeitsweg zum Coworking Spaces genauso entgegengewirkt werden wie der stressbehafteten Vermischung zwischen Arbeits- und Privaträumen, die Wirkung hängt jedoch maßgeblich von der regionalen Verteilung, Auslastung, Ausstattung und Verfügbarkeit der Coworking Spaces ab.
  • Da, wie oben angedeutet, in Coworking Spaces Menschen aus ganz unterschiedlichen Arbeitskontexten mit ganz unterschiedlichen Arbeitshaltungen aufeinandertreffen, können zwar kreative und die Betriebsblindheit aufbrechende lernförderliche Netzwerke entstehen. Jedoch begünstigt das auch neue datenschutz- und zwischenmenschliche Konflikte, die sich auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit auswirken können.
  • Speziell für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich daraus eine weitere besondere Herausforderung: Durch die Aufweichung des Arbeitsraumes und der Arbeitsverhältnisse kommen klassische Regeln und Vorschriften an ihre Grenzen, weil diese häufig auf einen bestimmten Versichertenkreis, abgegrenzte Arbeitsbereiche oder bestimmte Branchen und Arbeitsmittel zugeschnitten sind.

Insgesamt bringen verantwortlich gestaltete Coworking Spaces große Chancen mit sich, die Lernfähigkeit, Produktivität und Gesundheit der Arbeitenden fördern können. Dazu muss es in der Prävention gelingen, die Gesundheitskompetenz sowohl der Verantwortlichen bei Planung, Bau, Betrieb als auch der verschiedenen Nutzungsgruppen gezielt zu fördern und die Verantwortlichkeiten zur Arbeitsplatzgestaltung eindeutig zu regeln. Nötig wäre also einerseits eine Individualisierung der Prävention, das heißt die Befähigung der einzelnen Menschen, sich ihr eigenes Arbeitsumfeld sicher und gesundheitskompetent gestalten zu können (unabhängig von der konkreten Arbeitssituation). Andererseits bedarf es einer übergreifenden gesellschaftlichen Diskussion über ein kollektives Präventionsverständnis, das eben nicht am Werkstor aufhört.

Mit entsprechenden Fragestellungen beschäftigt sich das Sachgebiet „Neue Formen der Arbeit“ der DGUV auch in seiner kürzlich erschienenen Veröffentlichung zu Coworking Spaces.

Literatur

Bundesverband Coworking Spaces Deutschland (BVCS): www.bundesverband-coworking.de/2020/06/zahl-der-coworking-spaces-hat-sich-vervierfacht/ (abgerufen 14.04.2021)

Hofmann, J.; Piele, A.; Poele, C.: Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal, Studie des Fraunhofer IAO in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung DGFP e. V., http://publica.fraunhofer.de/dokumente/N-593445.html (ab­gerufen am 18.08.2020)

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel der Bun­desregierung, GMBl 2020 S. 484–495 (Nr. 24/2020 vom 20.08.2020), www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/AR-CoV-2/pdf/AR-CoV-2.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (abgerufen am 29.08.2020)